Bram Stoker

1845 - 1912

 

Abraham Stoker wurde in Clontarf bei Dublin, Irland. als drittes von sieben Kindern geboren. Er ist einer der erfolgreichsten Horrorautoren des Viktorianischen Zeitalters und durch seinen Roman Dracula wohl auch der Weltliteratur. Jedes Kind kennt heutzutage den transsylvanischen Vampirgrafen.

Stoker war in den ersten sieben Jahren seines Lebens aufgrund einer Krankheit ans Bett gefesselt, was ihn stark prägte. Doch wie durch ein Wunder genas er vollständig, absolvierte das  Trinity College, auf welchem auch Sheriden Le Fanu studierte, und brachte es dort sogar zum anerkannten Fussballspieler.

Nach dem Studium arbeitete er, oftmals sogar ohne Bezahlung als Theaterkritiker und Magazinherausgeber und wurde schließlich 1878 der Manager des damals berühmtesten Shakespearedarstellers Henry Irving. Dieser wurde zu einer Vaterfigur und einem Idol für Stoker, der neben seiner Managertätigkeit an dessen Biografie schrieb. Nebenher verfasster Stoker zehn Romane, von denen allerdings lediglich sein Dracula internationale Anerkennung fand.

Stoker verstarb 1912 genau 10 Jahre, bevor Friedrich Wilhelm Murnau mit seinem Film Nosferatu auf Stokers dunklen Helden aufmerksam machte und ihm so posthum einen Ehrenplatz in der Weltliteratur bescherte. Im Totenschein wurde als Todesursache nur "Erschöpfung" angegeben. 

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Der Roman Dracula

 Beeinflußt von Carmilla, den Romanen Jule Vernes und anderen "Gothic Novels" seiner Zeit begann der Manager und Hobbyschriftsteller Stoker einen Vampirroman zu schreiben, den er aber bald wieder verwarf.

1890 erhielt er Besuch von einem Freund, dem renommierten ungarischen Orientalisten Herman Vanbery, den er später auch in seinem Roman erwähnt. Dieser hat ihm vermutlich vieles über den Balkan berichtet, nicht nur über Vlad "Tepes" Draculea, sondern auch über die Vampirhysterie im 18. Jahrhundert.


Stoker beginnt seinen fiktiven Roman Dracula und stellt Nachforschungen über Vlad "Tepes" den Balkan und Vampire allgemein an. Quellen waren unter anderem das Balkankartenwerk des British Museum, The Land beyond the Forest, The Golden Bough, Cartea pricolici, Epos über den Blutfürsten Vlad, Die histori von dem posen Dracol und die Legende der Blutgräfin sowie die Comentarii Papst Pius II. Besonders interessant ist die zeitgenössische Beschreibung Vlad "Tepes" Draculeas von Nikolaus Modrussa, der im 15. Jahrhundert Legat des Papstes am ungarischen Hof war. 

Er war nicht sehr groß, aber untersetzt und muskulös. Sein Auftreten wirkt kalt und hatte etwas Erschreckendes. Er hatte eine Adlernase, geblähte Nasenflügel, ein rötliches, mageres Gesicht, in dem die sehr langen Wimpern große, weit-offene, grüne Augen umschatteten; schwarze buschige Brauen gaben ihnen einen drohenden Ausdruck. Er trug einen Schnurrbart. Breit ausladende Schläfen ließen seinen Kopf noch wuchtiger erscheinen. Ein Stiernacken verband seinen Kopf, von dem schwarze gekräuselte Locken hingen, mit seinem breitschultrigen Körper.


Diese Beschreibung ähnelt verblüffend der Jonathan Harkers in Dracula, sicherlich hat Stoker hier abgeschrieben. Aber nicht in allen Punkten bleibt Stoker so nah an seiner historischen Vorlage. Seine Kenntnisse des Balkans, die in seinem Roman sehr fundiert und genau recherchiert erscheinen stammen ausschließlich von Karten und aus Geschichten. Im Balkan ist Stoker selbst nie gewesen. So bleibt Harkers realistisch erscheinende Reisebeschreibung reine Fiktion, obwohl Borgopaß, Bistritz, Galatz und Varna auf jeder Rumänienlandkarte zu finden sind. Stoker vermischt Historie, Halbwahrheiten und eigene Phantasie zu einem bunten Romancocktail, wie er typisch für das Viktorianische England ist. Die Herkunft Draculas bleibt in Stokers Roman weitgehend ungeklärt. 
Wir Szekeler sind mit recht stolz, denn in unseren Adern fließt das Blut manchen tapferen Volkes, das kämpfte, wie es der Löwe tut - um die Herrschaft nämlich. Hierher [...] brachten die ukrainischen Stämme von Island herunter den Kampfgeist, den Thor und Wotan ihnen verliehen hatten und den ihre Krieger an den Küsten von Europa, ja, an denen von Asien und Afrika so wütend austobten, daß schließlich die Leute glaubten, es seien keine Menschen sondern Werwölfe.


Er beschränkt sich auf diesen abenteuerlichen Ausspruch Graf Draculas und den Hinweis, daß Attilas Blut in seinen Adern fließe. Die Székler sind Magyaren also Ungarn. Warum Stoker Dracula von der Wallachei nach Transsylvanien umsiedelt und ihn zum Székler macht bleibt unklar. Tatsache ist, daß vieles was über Transsylvanien geschrieben wurde und wird auf Stokers Roman basiert und somit oft falsch ist. Es ist die Art der Erzählung, der Schreibstil, welcher zum ungeprüften Übernehmen anregt.
Stoker verzichtet in Dracula auf einen auktorialen Erzähler sondern legt dem Leser eine Sammlung scheinbar authentischer Berichte in sortierter (nicht immer chronologischer) Reihenfolge vor. Die geschickte Verknüpfung dieser Quellen mehrerer Handlungsstränge zu einer Geschichte ergibt für den Leser den Eindruck einer realitätsnahen Aufzählung sorgsam recherchierter Fakten. Diese Fakten, welche die Protagonisten zuerst einzeln, später zusammen erkennen, erscheinen unglaublich und passen nicht in das Weltbild Londons im ausgehenden 19. Jahrhundert. So halten die Protagonisten an bekanntem, wissenschaftlich Bewiesenem fest, wenn sie dem unerklärlich Mystischen zu begegnen. Stoker stellt in seinem Roman den Vampir Dracula und seine Zauberkräfte, der modernen Technik und Wissenschaft seiner Zeit gegenüber. Doch alleinig der Glaube an das Übernatürliche, das Annehmen des Undenkbaren und Unaussprechlichen kann das Monster besiegen.


Stoker liefert in der Blüte der Industrialisierung ein Plädoyer für die Mystik und bedient sich einer gerade aufkommenden seichten Literaturgattung, die durch die Industrialisierung erst möglich wurde. Es verwundert nicht, daß der Zeitungsartikel, welcher über den Wolfsausbruch im Zoo berichtet, aus dem Daily Telegraph stammt und nicht aus der Times.


Dracula ist ein Unterhaltungsroman der sich verschiedener literarischer Elemente aus Abenteuerbericht, Liebeserzählung, Horrorgeschichte und Detektivroman bedient. Durch eine, für das prüde Viktorianische Zeitalter ungekannte, deutliche Erotik und Sexualität verknüpft Stoker (inzwischen untrennbar) die Begriffe Vampir und Liebe. In Bram Stokers Roman Dracula ist der untote Vampir erstmals nicht seelenlos. Was Stoker ganz zeitgemäß nur andeutet wird in den Verfilmungen immer deutlicher herausgearbeitet. In Coppolas Bram Stoker's Dracula werden die Liebesgeschichte und die erotischen Beziehungen zwischen den Charakteren zur zentralen Motivation und zum Mittelpunkt der Handlung. Die Detektivelemente treten dagegen in den Hintergrund. Den überragenden Erfolg seines Romans hat Stoker den zahlreichen Verfilmungen zu verdanken. Diesen Erfolg erlebt Bram Stoker selbst aber nicht mehr, er starb 1912 arm und eher unbekannt an Syphilis.
Ein weiterer Grund für den Erfolg von Dracula mag sein, daß Stoker die Handlung in seine Gegenwart legte und für London eine Gefahr aus dem (unbekannten) Osten heraufbeschwor. 

 

Weitere Werke von ihm sind u.a.:  Draculas guest (was ursprünglich als Einleitung zu Dracula dienen sollte, dann aber von ihm verworfen wurde), The snake pass, The lair of the white worm, The lady of the shroud und The jewel of the seven stars