Wiedergänger


Als Wiedergänger, auch Widergänger, werden unterschiedliche Gespenstererscheinungen aus verschiedenen Kulturkreisen bezeichnet. Die beiden Schreibweisen sind das Ergebnis einer Gelehrtendifferenzierung im 17. und 18. Jahrhundert. Sie beziehen sich nicht auf unterschiedliche Erscheinungsformen.
Der Wiedergänger ist nicht mit Zombies aus dem Voodoo zu verwechseln. Der Wiedergang wird nach der Überlieferung nicht wie bei den Zombies durch Hexenmeister, Drogen oder Ähnliches ausgelöst.

Der Kern des Wiedergänger-Mythologems ist die Vorstellung von Verstorbenen, die – oft als körperliche Erscheinung – in die Welt der Lebenden zurückkehren. Sie sind den Lebenden meist böse gesinnt. Sei es, weil sie sich für erlittenes Unrecht (z. B. Störung ihrer Totenruhe) rächen wollen; sei es, weil ihre Seele aufgrund ihres Lebenswandels nicht erlöst wurde.

Deutscher Volksglaube 

In verschiedenen Teilen Deutschland war bis ins frühe 20. Jahrhundert der Glaube verbreitet, dass Tote nach ihrem Tod trotzdem weiterlebten und einen unheilvollen Einfluss aus dem Grab heraus ausübten. Teilweise geschah dies durch eine telepathische Wirkung (Sympathiezauber), so dass der als Nachzehrer bezeichnete Unhold nicht aus dem Grab steigen musste und den Lebenden trotzdem durch seinen offenen Mund, ein offenes Auge und durch Kauen am Leichentuch die Lebenskraft absaugen konnte. Andere Untote stiegen jedoch aus den Gräbern und sprangen nächtlichen Wanderern auf den Rücken. Diesen Aufhocker, der auch verschiedene Gestalten annehmen konnte, z. B. im Rheinland die des Werwolfs, musste der Mensch tragen, häufig bis zur Friedhofsmauer oder zu dem Ort, an dem der Leichnam begraben oder verscharrt war. Dabei wurde der Aufhocker (auch Huckop oder Huckupp genannt) immer schwerer, und das Opfer brach schließlich erschöpft oder gar tot zusammen. In einigen Sagen gelang es dem geplagten Menschen, durch einen Spruch oder ein Gebet den Unhold zu bannen und sogar zu erlösen. Gerade in den katholisch geprägten Gebieten verschmolz der Glaube an den aufhockenden Wiedergänger mit dem Seelenglauben, so dass es den Volkskundlern um 1920 große Schwierigkeiten bereitete, aus einem diffusen Gespensterglauben den alten Kern - den Glauben an den untoten Wiedergänger - herauszuschälen. Der Aufhocker konnte nach der Definition auch kein Gespenst sein, denn er hatte einen spürbaren Körper, der auch noch von Schritt zu Schritt an Gewicht zunahm, was einem materielosen Geist nicht möglich gewesen wäre. Zu den körperlich erscheinenden Wiedergängern gehört auch der in der westdeutschen Sagenwelt häufig genannte kopflose Reiter, der über den amerikanischen Dichter Washington Irving und seine Novelle The Legend of Sleepy Hollow in die Weltliteratur und sogar in die Filmgeschichte einging.

Mythologie und Volksglauben 

Nordische Mythologie

In den Sagas sind Wiedergänger in der Form des Draugrs ein häufiges Motiv. So z.B. in der Hrómundar saga Gripssonar oder in der Laxdœla saga. Auffallend ist hier die Betonung der Körperlichkeit des Wiedergängers, die sich zum einen in seiner übermenschlichen Kraft zeigt, zum anderen aber auch in seiner Verwundbarkeit: Draugar können (ein zweites Mal) getötet werden, indem ihnen der Kopf abgeschlagen wird.

Slawischer Volksglauben 

Der Wiedergänger ist ein Untoter des südosteuropäischen und russischen Volksglaubens. (Er "kommt wieder", erscheint abermals.) Dies ist ein Verstorbener, welcher seinem Sarg entsteigt und wieder unter die Lebenden geht. Sein Erscheinen wird nahezu immer mit Unheil und Tod in Verbindung gebracht, und er verursacht daher Grauen.

Oft hat der Wiedergänger noch etwas aus seinen Lebzeiten zu erledigen oder will Rache an seinem Mörder üben oder Ähnliches. Auch wenn der Tote zu sehr betrauert wird, hält ihn das vom endgültigen Übergang in das Jenseits ab.

In alten Gräbern finden sich noch heute Leichen, die gefesselt wurden, denen die Sehnen durchtrennt, die Gliedmaßen zertrümmert oder abgeschnitten und über Kreuz auf die Brust gelegt, die ins Herz gepfählt oder denen Kreuze oder mit Gras bewachsene Erdschollen in den Mund oder auf die Stirn gelegt wurden. Alle diese Bestattungsriten sollten das Wiederkehren des Toten verhindern und wurden auch gemeinsam und in Variation mit Knoblauch ausgeführt. Der Glaube an die Wiedergänger vermischt sich insoweit mit dem Glauben an Vampire, doch wird ihre Ernährung nicht thematisiert und sie ernähren sich jedenfalls nicht vom Blut der Lebenden, was – wie neuere Forschungen erwiesen haben – auch nicht die Hauptbeschäftigung der Vampire ist. Eine von William of Newburgh (13. Jahrhundert) überlieferte Wiedergängergeschichte aus Nordengland (The Revenant of Annant Castle) schildert einen Fall, der in allen Einzelheiten an die Vampirgeschichten aus Südosteuropa aus jüngerer Zeit erinnert und nach Ansicht des französischen Sagen- und Mythenexperten Claude Lecouteux eindeutig in den Bereich des Vampirglaubens gehört. Daher ist anzunehmen, dass Glaubensvorstellungen, von denen die Volkskunde bislang annahm, sie seien nur auf den slawisch geprägten Raum beschränkt, tatsächlich über sehr viel weitere Teile Europas verbreitet waren.

Der Glaube an das Wiedergängertum wird meist damit begründet, dass den Leichen noch geraume Zeit lang die Haare und die Nägel wüchsen (heute widerlegt; durch Austrocknung der Haut wirken die gleichlangen Nägel und Haare/Barthaare wie frisch gewachsen, da die Haut schrumpft[1]), sowie dass Leichen nach einiger Zeit aufdunsen (wie man heute weiß, durch bakterielle Fäulnis). Dies kann zum Vampirglauben beigetragen haben, da die aufgedunsenen Leichen "gesünder" aussahen als die (ausgemergelten) Kranken. Die Menschen glaubten daher, die Leichen zögen den Lebenden die Lebenskraft ab.

 

(Quelle: Wikipedia, Stand 22.07.07)