Texte über die Vampire

"...Aber ich habe kein eigenes Leben, nur den Hunger und die Gier danach. Jedes Mal bei einer Berührung, bei einem Kuss, bei einer Umarmung, überhaupt immer, wenn wir uns nahe waren, saugte ich Dich aus und nahm ein Stück Deiner Zukunft... Deine Jahre gehören nun mir; ich werde sie leben!" 

(der Vampir in Jack Sharkleys Roman 'die Dämonin")

 

Der Vampir ist ein Geschöpf der Gegensätze. Er giert nach Lust und Leben und sät doch Trübsal und Tod. Aber alle Gegensätze sind miteinander verbunden, so auch die beiden Pole von Schöpfung und Vernichtung. Das Leben ist genauso ein Geschenk des Todes, wie der Tod ein Ergebnis des Lebens ist. Alle irdische Existenz ist diesem barbarischen Wechselspiel unterworfen. Selbst die Vampire.
Der Vampir ist seit Jahrhunderten Objekt von Ängsten und wilden Phantasien, die in unzähligen Legenden und Mythen ihren Niederschlag fanden. Der Vampir dient als Symbol für Tod und Unsterblichkeit, Macht und Erotik, als 'Muse' für Künstler, Literaten und Regisseure. Entlang den Bildern von Edward Munch und  wie Bram Stokers "Dracula" über Gedichte angesehener Poeten bis hin zu Polanskis Filmklassiker "Tanz der Vampire" zeigt sich der Charakter des Vampirs in allen Facetten. Die tieferen Ursachen der Faszination sind Ängste und Begierden, die Sucht nach Leben und die Sehnsucht nach Unsterblichkeit. Hier, im "Prinzip des Vampirismus" zeigt sich das ewige Kreisen der Lebensenergie. Es macht deutlich, wie nah Mythen und reale Gegenwart beieinander liegen. Im Grunde ist das vom Menschen geschaffene Bild des Vampirs nichts anderes, als ein Spiegel unser aller Leidenschaften und Sehnsüchte! (Norbert Borrmann)

 

Wunderbare Historie vom Teufel, der die Leut betrug und würgte

Es schreib ein Pfarrherr M. Georgen Rörer gen Wittenberg, wie ein Weib auf einem Dorf gestorben wäre, und nun, weil sie begraben, fresse sie sich selbst im Grabe, darum wären schier alle Menschen im selben Dorfe gestorben. Und bat, er wolle D. Martin fragen, was er dazu riethe. Der Sprach: >Das ist des Teufels Betrügerei und Bosheit; wenn sie es nicht gläubeten, so schadete es ihnen nicht, und hieltens gewiß für nichts anderes, denn für des Teufels Gespenst. Aber weil sie so abergläubisch wären, so stürben sie nur immerdar je mehr dahin. Und wenn man solchs wüßte, sollt man die Leute nicht so freventlich ins Grab werfen, sondern sagen: Da friß, Teufel, da hast Du Gesalzens! Du betreugest uns nicht.<

Martin Luther, Tischrede Nr. 6823

 

Erste Spuren von Vampiren begegnen einem in fast allen alten Hochkulturen. So soll man sich in China bereits um 600 v. Chr. Vampirgeschichten erzählt haben. Aus Indien sind Abenteuer des Königs Vikram mit einem Vampir überliefert. Es bestanden auch natürlich immer enge Verbindungen zwischen den Vampiren und den heiligen Schriften der Völker. In den indischen Veden wird etwa von den Gandharven berichtet. Diese waren blutgierige, faunartige Buhlgeister, welche die Frauen im Schlaf heimsuchten, um ihr Blut zu trinken. Gegen diese Gandharven existieren tatsächlich Bannflüche, womit bewiesen ist, dass es sich bei den Gandharven um eine beängstigende Realität handelt. Zumindest in den Köpfen der damaligen (vielleicht auch noch heutigen) Menschen. In der antiken Dichtung tauchen die Vampire als Striges, Lamien und Empusen auf. Phiostratus berichtet in einer Erzählung von einer blutlüsternen Empuse. Und bei Apuleius ist in seinem Roman "Metamorphosen" zu erfahren, dass bluttrinkende Lamien die Menschen des Nachts heimsuchen. Auch in den "Fasti" des Ovid überfallen Striges den Königssohn von Alba, als dieser gerade fünf Tage alt ist. Homer lässt Odysseus gar im 11. Gesang die Toten mit Blut aus ihrem Reich locken: "Als ich nun so mit Gelübden und Bitten die Scharen der Toten/Angefleht, ergriff ich die Schafe und schnitt ihre Kehlen/ Über der Grube ab; ihr Blut floss dunkel. Da stiegen/ Aus der Tiefe die Seelen der abgeschiedenen Toten..../ Die umschwärmten die Grube in große Scharen mit lautem/ Schreien von allen Seiten. Mich fasste blasses Entsetzen."
In Scheherazades Geschichten von "Tausendundeiner Nacht" berichtet diese in der fünften Nacht von einem jungen Königssohn, der während einer Jagd beinahe das Opfer einer bluttrinkenden Ghula wurde und in den altisländischen Sagas gehen zuhauf Vampire um, die dort Wiedergänger genannt werden.
Durch die Jahrhunderte hindurch erzählten sich die Völker Europas Sagen von Nachtalpen, wiederkehrenden Gatten oder nachzehrenden Toten und selbst Goethe veröffentlichte 1797 in Anlehnung an Phlegons "Die Braut von Amphipolis" sein Vampirgedicht "Die Braut von Korinth", welches wegen seiner ungewohnt freizügigen Schilderung der nächtlichen Liebesszene zwischen der toten Braut und ihrem lebenden Bräutigam auf teilweise erbitterte Ablehnung innerhalb der zeitgenössischen Leserschaft stieß.


Die Wurzeln des Vampirismus reichen weit zurück, bis in die Frühzeit des Menschen, als er entdeckte, dass  ein verwundetes Tier oder ein verletzter Mensch mit dem Blut, das aus der Wunde floss, auch die Lebenskraft verlor. Blut war die Quelle des Lebens. Deshalb schmierten sich die Männer selbst mit Blut ein, und manchmal tranken sie es auch. Damit war die Vorstellung geboren, dass man durch das Trinken von Blut seine Lebenskraft erneuern könne. Für den Vampir jedenfalls gilt der Satz aus dem Fünften Buch Mose (12.23): "...das Blut ist die Seele", oder wie ihn Draculas Geschöpf Renfield zitiert: "Das Blut ist das Leben!" Nur dass er in der Bibel im Zusammenhang mit dem Verbot, Blut zu trinken, fällt. 

Der Vampirglaube ist weltweit verbreitet. Er kam im alten Babylon und Ägypten ebenso vor wie in Griechenland, Rom und China, und es sind Vampirerzählungen aus den verschiedensten Kulturen überliefert, zwischen denen ein Austausch ausgeschlossen ist. 

Der Vampir trägt viele Namen: vrykolakes, brykilakas, barabarlakos, borborlakos oder bourdoulakos im Griechischen; katakhanoso oder baital im alten Sanskrit; upiry im Russischen; upiroy im Polnischen; Blutsauger im Deutschen. Im alten China fürchtete man den giang shi, einen Dämonen, der Blut trank, und erzählte sich schon 600 v. Chr. Vampirgeschichten. Abbildungen von Vampiren finden sich auf babylonischer und assyrischer Töpferware, die Jahrtausende vor der Zeitenwende entstand. Der Aberglaube blühte sowohl in der Alten als auch in der Neuen Welt. Die Indianer im Gebiet des heutigen Peru glaubten an die canchus oder pumapmicuc, eine Gruppe von Teufelsanbetern, die schlafenden jungen Menschen Blut absaugten, um ihrer Lebenskraft teilhaftig zu werden. Die Azteken opferten das Herz von Gefangenen, weil sie glaubten, mit dem Blut die Kraft der Sonne zu speisen. Im antiken Griechenland ging die vampirähnlichen lamia um, furchterregende, mit Flügeln ausgestattete weibliche Dämonen, die junge Schönheiten zu Tode brachten, um ihr Blut zu trinken und ihr Fleisch zu essen. Die Namensgeberin Lamia war eine Geliebte des Zeus, die, von der eifersüchtigen Frau des Göttervaters in den Wahnsinn getrieben, ihre Kinder tötete und fortan durch die Nacht geisterte und aus Rache Kinder umbrachte. 

Dem Talmud zufolge gab es schon vor Eva eine Frau auf der Erde, Adams erste Frau Lilith oder Lilitu. Aber sie war Adam gegenüber ungehorsam, stellte seine Autorität in Frage und verließ ihn schließlich voller Wut, obwohl drei Engel versuchten, sie davon abzuhalten. Nach diesem Affront wurden ihre Kinder getötet und sie selbst in ein nachtaktives Ungeheuer verwandelt. Erst danach kam Eva ins Spiel und gebar Adam Kinder, was Lilith in ihrer Eifersucht dazu brachte, den Söhnen und Töchtern von Adam und Eva nachzustellen, um sie zu töten. Und da alle Menschen laut Bibel von Adam und Eva abstammen, ist niemand vor Liliths Angriffen sicher. Die mittelalterlichen Juden schützten ihre Kinder deshalb mit speziellen Amuletten, auf denen für gewöhnlich die drei Engel abgebildet waren, die versucht hatten, Lilith zu überreden, bei Adam zu bleiben. 

Der gelehrte indische Dichter Bhavabhuti schrieb im 7./8. Jahrhundert fünfundzwanzig Erzählungen über einen Vampir, der Tote wieder zum Leben erweckt, wobei beobachtet wird, wie er kopfüber wie eine Fledermaus an einem Baum hängt. Und auch die Hindugöttin Schiwa hat viel Ähnlichkeit mit einem Vampir, unter anderem darin, dass sie gleichzeitig schöpferisch und zerstörerisch ist.

Dem Vampirglauben liegt insgesamt die orientalische Vorstellung der ewigen Wiederkehr zugrunde, nach der nichts wirklich zugrunde geht, sondern in immer neuen Reinkarnationen zurückkehrt. Der Vampir nimmt den Lebenden das Blut; wenn sich aber sein Blut mit dem des Opfers mischt, wird auch dieses zu einem Untoten, der die Endgültigkeit des Todes überwunden hat.

Weitere Belege dafür, dass die frühen Vampire als weibliche Wesen betrachtet wurden, finden sich bei Augustinus und anderen Kirchenvätern. So meinte Augustinus zum Beispiel, dass Dämonen zwar "körperliche Unsterblichkeit und wie menschliche Wesen Leidenschaften" besäßen, doch keine Samen produzieren könnten. Vielmehr verschafften sie sich den Samen lebendiger Männer und injizierten  ihn schlafenden Frauen, um auf diese Weise eine Schwangerschaft zu bewirken. Der heilige Klemens schrieb ebenfalls, dass die Dämonen menschliche Leidenschaften hätten, aber "keine Organe, so dass sie sich der Organe von Menschen bedienen. Haben sie die Macht über die nötigen Organe gewonnen, können sie alles erreichen, was sie wollen."

Ein namentlich bekannter angeblicher Vampir, Peter Poglojowitz, wurde im 18. Jahrhundert in einem kleinen ungarischen Dorf entdeckt.  Er starb 1725 und als sein Grab später geöffnet wurde, fand man frisches Blut an seinen Lippen. Außerdem zeigte der Leichnam keinerlei Spuren von Verwesung. Die Dorfbewohner hielten Peter Poglojewitz deshalb für einen Vampir und verbrannten den Leichnam. Ein anderer, 1732 bekannt gewordener Fall von Vampirismus, der des Seben Arnold Paole aus Medvedja, war der Auslöser für die wissenschaftliche Beschäftigung mit Vampiren. Der gelehrte Dominikanerpater Augustin Clement veröffentlichte 1751, auf dem Höhepunkt der Aufklärung, eine Abhandlung über die Vampire in Ungarn und Mähren.

Vor allem in Südosteuropa ist der Vampirglaube heute noch verbreitet, besonders in Griechenland. Santorin, die südlichste der Kykladen-Inseln, ist schon seit dem 17. Jahrhundert als Heimat von Vampiren berüchtigt. Früher war es sogar üblich , mutmaßliche Vampire vom griechischen Festland nach Santorin zu bringen, weil die Bewohner Erfahrung im Umgang mit Vampiren besaßen. Nach einem griechischen Sprichwort ist es müßig, Vampire nach Santorin zu bringen, so wie wir es für überflüssig halten, Eulen nach Athen zu tragen.

Die Art und Weise der Exkommunikation aus der orthodoxen Kirche bestärkte den Vampirglauben, denn über den Exkommunizierten wurde der Fluch gesprochen: "... und die Erde wird Deinen Leib nicht empfangen!" Der Körper werde - als Zeichen des Bösen - "unversehrt und ganz"  bleiben, die Seele keinen Frieden finden. Orthodoxe Christen, die zum Katholizismus oder zum Islam übertraten, waren dazu verdammt, über die Erde zu wandern und nicht in den Himmel zu kommen. (So gab der historische Dracula, als er gegen Ende seines Lebens zum römisch-katholischen Glauben konvertierte, "das Licht der Orthodoxie" auf und "erhielt die Finsternis" der Ketzerei; damit war sein Schicksal besiegelt: Er würde ein Untoter werden - ein Vampir.)

Insbesondere die Rumänen kennen eine ganze Reihe von Vampirgestalten. Die am häufigsten benutzte Bezeichnung - strigoi (weibl.: strigoaica) - meint ein Wesen, das bei Tageslicht schläft und nachts als Wolf, Hund oder Vogel kleinen Kindern das Blut aussaugt. Im engeren Sinn bezeichnet strigoi dämonische Nachtvögel, die sich von menschlichem Blut und Fleisch ernähren. Der weibliche Vampir ist gefährlicher als der männliche. Die strigoaica kann Ehen und Ernten zerstören, verhindern, dass Kühe Milch geben und tödliche Krankheiten verursachen. Ein anderer Untoter ist der pricolici, der als Mensch, Hund oder Wolf erscheinen kann. Unter den rumänischen Vampiren gibt es immer auch Sünder, deren Reise in die andere Welt unterbrochen wurde und die für eine gewisse Zeit dazu verdammt sind, den Lebenden nachzustellen. Der rumänischen Überlieferung zufolge spielt sich das Leben nach dem Tod nicht in einer spirituellen Welt ab, sondern gleicht weitgehend dem auf der Erde. So liegt es nahe anzunehmen, dass die Untoten wie lebendige Menschen über die Erde wandern. Sie sind allerdings nicht immer Vampire. Tatsächlich ist das rumänische Wort für 'Untote', moroi, gebräuchlicher als das für Vampire oder Blutsauger, strigoi. Aber beide, die Untoten wie die Vampire, werden auf dieselbe Weise zerstört indem man ihnen bei Tageslicht, wenn sie in ihren Särgen liegen, einen Pflock durchs Herz oder in den Nabel stößt. Der Pflock sollte aus Eschen- oder Espenholz gefertigt sein. In manchen Gegenden Transsylvaniens wird auch ein Eisenstab benutzt, vorzugsweise in rotglühendem Zustand. Anschließend werden die Überreste, um ganz sicher zu gehen, verbrannt. Man kann ebenso eine Tanne in seinen Körper stoßen, um den Vampir in seinem Grab zu halten. Die Tannenornamente, die man heute noch über rumänischen Gräbern sieht, sind von diesem Brauch abgeleitet.

Der Glaube an herumwandernde Untote und blutsaugende Vampire wird vielleicht niemals ganz aussterben. In England wurde erst 1832 der verbreitete Brauch verboten, Selbstmördern einen Pflock ins Herz zu stoßen.  (aus: Auf Draculas Spuren)
Und wer vermag schon zu sagen, ob sie nicht wirklich dort draußen sind, jene Geschöpfe der Dunkelheit mit ihrem ewigen Durst nach Blut?! Öffnet also Euer Fenster, schaut auf den silbernen Mond und denkt daran, dass Ihr nicht alleine seid in der dunklen Nacht.