Lord Argen ap Bedwyr

Teil 2

(Copyright by Heshthot Sordul)


Eher würde er sterben, als dieses zuzulassen. Und die Möglichkeit seines baldigen Todes bestand durchaus, darüber war Argen sich im Klaren. Gegen den Gegner, welchen er angehen wollte, waren die drei Wegelagerer harmlos und der Kampf mit ihnen ein albernes Kinderspiel. Und doch verspürte der Lord keine Furcht vor dem, was ihm bevorstand. Im Gegenteil, langsam stellte sich wieder jenes Gefühl der Agonie ein, welches er schon früher vor jeder Schlacht gespürt und genossen hatte. In den vergangenen Jahren wollte er sich nie eingestehen, wie sehr ihm die Kämpfe fehlten, wenn er mit Irisa am behaglichen Kaminfeuer gesessen und seine Söhne bei ihren Spielen beobachtet hatte. Und tief in ihm war er den Göttern dankbar, daß sie ihm einen Vorwand geliefert hatten, dieses letzte große Abenteuer, diesen letzten ruhmreichen Kampf erleben zu können, auch wenn er sich das selber niemals eingestanden hätte. Er blinzelte und schüttelte kurz den Kopf. Jetzt hätte er sich doch fast wieder in seinen Gedanken verloren. Das wäre ihm früher nie passiert. Den Rest des Tages zwang er sich wachsam zu bleiben und als die untergehende Sonne die Steppe in ihr rotes Licht tauchte, sah Argen am Horizont dunkel die Silhouette des Granitgebirges auftauchen. Er schätzte, daß er gegen Mittag des folgenden Tages sein Ziel erreichen würde und war damit zufrieden. Das war eine gute Zeit.



*


Nachdem er die Nacht fast ohne Schlaf und frierend zugebracht hatte, weil er es nicht riskieren wollte, ein Lagerfeuer zu entzünden, war Argen kurz vor Sonnenaufgang weiter geritten. Diesmal trug er den schweren Plattenpanzer und hatte sein Schwert gegürtet. Seine rechte Hand umschloß fest den Schaft der Kriegslanze und an seinem linken Arm spürte er das Gewicht des großen Schildes. Heute, so hoffte er, war es endlich so weit. Heute würde sich erweisen, ob er es noch wert war ein Kriegslord genannt zu werden. Dies war sein Rang bei den Rittern des Rates gewesen, damals als er noch nicht in Diensten des Herzoges stand. Wenn er es recht überlegte, war dies mit die schönste Zeit seines Lebens gewesen. Es war eine große Ehre ein Ritter des Rates zu sein und als Kriegslord stand er auch innerhalb der Ritterschaft in großem Ansehen. Nur leider befreite ihn das nicht von den Abgaben und als Kriegsführer des Herzoges war er davon freigestellt. Darum wechselte er schweren Herzens in die Armee des Herzoges, denn als Ratsritter bezog er kein Einkommen und von Ruhm und Ehre ließen sich nun mal keine Steuern begleichen. Die Entscheidung fiel ihm damals nicht leicht und auch Reuben war gar nicht begeistert davon. Denn als Knappe eines Kriegslord der Ratsritter war er angesehener, als es ein Knappe eines Soldaten führenden Ritters im Heer des Herzoges war. Und so hatte Argen mit dem Wechsel bis zu der Zeit gewartet, als Reuben so schwer verletzt worden war. Die Ausgaben für Reubens medizinische Betreuung waren dann aber der Auslöser. Denn der Lord hatte durch diese Kosten alles gesparte Geld verloren und die Unfähigkeit seine Steuerschuld in jenem Jahr zu begleichen, zwang in förmlich ins Heer des Herzoges, welcher ihn mit offenen Armen empfing, hatte er doch die größte Hochachtung vor den Leistungen des Ratsritters Lord Argen ap Bedwyr. Diese Hochachtung ging allerdings nicht so weit, daß er ihm seine Abgaben erlassen hätte. Fast hätte Argen sich jener geheimen Rittervereinigung angeschlossen, die plante mit Gewalt den alten Status der Abgabenfreiheit für die Ritter wieder herzustellen. Doch er fühlte sich immer noch dem Treueid gegenüber dem Großrat von Bethesda verpflichtet und brachte es nicht übers Herz gegen den Rat, welcher die Abgabepflicht für den niederen Adel eingeführt hatte, anzugehen. Dann lernte er auf einem Ball im Ratssaal zu Bethesda Irisa kennen und lieben. Da sie seine Gefühle erwiderte, machte er sie kurz darauf zu seiner Lady. Die Mitgift ihres Vaters eines wohlhabenden Kaufmannes half ihnen über diese schwere Zeit hinweg und das Rittergut derer von Bedwyr war lange Zeit schuldenfrei. Argens Glück wurde perfekt, als Irisa ihm zuerst Brack und dann seinen kleinen Liebling Aldwulf schenkte. Doch wie immer, wenn die Flamme des Glückes zu viel Licht erzeugte, kam der Schatten in Form von Mißernten. Diese führten dazu, daß seine Pächter nicht mehr in der Lage waren, ihre Abgaben an den Lord in voller Höhe zu tätigen und so konnte er seiner eigenen Abgabepflicht dem Herzog gegenüber nicht mehr nachkommen, da er zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr in dessen Heer diente. Und nun war der Drachenkristall seine letzte Hoffnung, die Burg und die Ländereien seiner Vorfahren nicht zu verlieren. Der Drachenkristall - jenes mystische Juwel welches jeder Drache in einer Hautfalte der Brust trug und dem man magische Kräfte nachsagte. Viele Legenden rankten sich um diese Artefakte und es gab nur sehr wenige Erzmagier auf Dczardá, die einen solchen Kristall ihr eigen nannten. Dementsprechend legendär war auch der Wert dieser Kristalle. Die Gilde der Lichtmagie in Kaponien zahlte Vermögen für einen echten Drachenkristall und auch wenn Argen nichts von den Magiern hielt, hoffte er doch ihnen einen solchen echten Drachenstein verkaufen zu können. Das war nur nicht so einfach. Erstens gab es nur sehr wenige Drachen, zweitens schliefen diese oft hunderte von Jahren in ihren unauffindbaren Horten und drittens mußte man sie töten, um an ihre Kristalle zu kommen. Argen, der selbst nicht mehr der Jüngste war, kannte niemanden, zu dessen Lebzeiten es aktive Drachen gegeben hatte oder der jemanden gekannt hat, der einen wachen Drachen erleben durfte, beziehungsweise erleiden mußte. Denn unter den Drachen sollte es genau so verschiedene Charaktere geben, wie unter den Menschen, Zwergen Kriten und Alben. Manche sollen gut gewesen sein, wieder andere abscheulich böse und gemein. So erzählte man auf jeden Fall in den alten Legenden, an die Argen lange Zeit nicht glaubte. Doch dann begegnete er einem leibhaftigen Alben aus dem Krovkwald. Auch um die Krovk-Alben rankten sich Sagen und Geschichten und auch an diese hatte der Lord zeit Lebens nicht geglaubt, bis er im Krieg der Einigkeit einen solchen Alben kennen lernte und es ihm unmöglich wurde, an deren tatsächlicher Existenz zu zweifeln. Seite an Seite hatte er damals mit Fionnbhar ap Cobhan gegen die dunklen Unholde gekämpft und er hatte den Alben als verläßlichen treuen Freund und Kampfgefährten schätzen gelernt, obgleich es dem Ritter niemals leicht gefallen war, daß Fionnbhar Lichtmagie anwandte, denn Argen haßte es Furcht zu empfinden und die Magie des Lichtes machte ihm Furcht. Und nur die Tatsache, daß der Krovk-Albe damals derjenige war, welcher den Großrat der vereinigten Länder Dczardás vor der Rückkehr der dunklen Unholde warnte, war ausschlaggebend dafür, daß Argen, der damals noch zu den Rittern des Rates gehörte, dem Alben anfangs ein wenig Vertrauen entgegen brachte. Und warum sollten die Legenden über die Drachen weniger wahr sein, als die Legenden über die Alben des großen Krovkwaldes? Also fing der Lord nach Kriegsende damit an, sich mit diesen Legenden zu beschäftigen. Er war nie ein gelehrter Mann gewesen und anfangs viel es ihm schwer in den dicken Büchern und Folianten seiner Ahnen nach den Drachen zu forschen. Aber wie überall im Leben, machte auch hier die Übung den Meister und Argen fand sich mit dem geschriebenen Wort immer besser zurecht. Schließlich fand er auch Hinweise darauf, daß sich in einem bestimmten Gebiet des Granitgebirges eine Drachenhort befinden sollte. Lange Zeit durchstreifte er diesen Gebirgsabschnitt gab es dann aber auf, den versteckten Schlafplatz des Drachens zu suchen und mit der Zeit ließ auch sein Interesse an den Drachen überhaupt nach, denn er war sich sicher, daß zu seinen Lebzeiten garantiert kein Drache aus seinem Schlaf erwachen würde. Außerdem begann zu dieser Zeit das Unglück, welches ihn langsam aber unaufhörlich in den Ruin trieb. Und dann erschien das Drachenzeichen. Ohne die Studien der Drachenlegenden, hätte Argen es gar nicht als solches erkannt. Nun aber wußte er, was es bedeutete, wenn dieses Licht am Horizont schien. Durch die Träume der Drachen, so sagte man, wurden die Drachenkristalle mit dem magischen Licht Kapon aufgeladen, welches dem Land Kaponien seinen Namen gegeben hatte, wo die Wahrer des Lichtes lebten und in welchem die Ratsstadt Bethesda lag. Erwachte ein Drache nun aus seinem Jahrhunderte währenden Schlaf, öffnete sich die Hautfalte über dem Kristall und das erträumte überschüssige Kapon entwich als Lichtstrahl und hing noch eine Weile als Lichtwolke über dem Drachenhort, bis es sich mit dem natürlichen Licht der Welt vereint hatte und die Wolke verschwand. Je älter und mächtiger der Drache war, desto heller leuchtete dieses Drachenkapon und desto länger hielt sich die Wolke über dem Hort. Solche Wolken wurden in den alten Schriften Drachenzeichen genannt und ein solches Zeichen hatte Argen des Nachts erblicken können. Zuerst hatte er an einen Blitz, dann an ein Wetterleuchten und schließlich an ein Großfeuer gedacht, welches weit entfernt in Richtung Granitgebirge wütete. Als er dieses Leuchten aber auch noch in der zweiten Nacht unvermindert stark am Horizont erspähen konnte, fielen ihm die alten Schriften ein. Er suchte die entsprechenden Bücher heraus und war sich nach dem Lesen bestimmter Abschnitte darüber im Klaren, was er da sah. Das war ein Drachenzeichen! Und anhand der Intensität des Lichtes und daran, daß er es fast eine Woche lang jede Nacht sehen konnte, erkannte er, daß es sich um das Kapon eines sehr alten Drachen handeln mußte. Ihm kam der Gedanke an den Kristall dieses Drachens und er mußte immer stärker daran denken, daß dieses Juwel ihm einen solchen Reichtum bescheren würde, daß seine Familie auf Generationen versorgt war. Und dann war da ja auch noch der Ruhm und die Ehre, die er als Drachentöter finden würde. Er wußte aus seinen Studien, daß sich ein Drache noch bestimmt einen Monat nach seinem Erwachen in einer Art Dämmerzustand befand und nicht im Vollbesitz seiner vollen Stärke war und so entschloss er sich zu handeln. Die Wolke hatte sich ungefähr über dem Teil des Gebirges befunden, den er damals durch seine Suche nach dem Drachenhort kennen gelernt hatte. Die alten Schriften trafen also zu. Nach einigen schlaf losen Nächten stand sein Entschluß dann fest und nun war er hier, um den Drachen zu töten, seinen Kristall herauszuschneiden und dadurch seine Familie uns sich vor der Schande des finanziellen Ruins zu bewahren. Zwar war das Drachenzeichen mittlerweile nicht mehr zu sehen, aber der Hort eines gerade erwachten Drachen war nicht mehr unauffindbar. Und es gab keinen Zoll in diesem Gebirgsabschnitt, den Argen nicht genau kannte. Er war sich sicher, noch am heutigen Tage auf das Ungeheuer zu stoßen. Und er würde alles tun, um es zu besiegen.



*



Er war über einen schmalen Pfad auf ein Hochplateau gelangt, von dem er eine gute Übersicht über den für ihn in Frage kommenden Gebirgsabschnitt hatte. Das Plateau hatte ungefähr die Form seines Schildes und fiel am vorderen Rand steil ab Hinter Argen ragte eine glatte Felswand in den Himmel und rechts und links von ihm befanden sich Geröllfelder, die langsam anstiegen und dann ebenfalls in einer massiven Felswand endeten. Nur am linken Geröllfeld führte der schmale Paß, über den Argen auf das Plateau gelangt war, wieder hinunter ins Tal. Jetzt stand der Lord am Rande des Plateaus und ließ den Blick, in der Hoffnung etwas zu entdecken, was ihn zu dem Drachen führen würde, über die gegenüberliegenden Felsen wandern. Er erkannte die Felsformationen von seinen früheren Expeditionen her wieder und konnte keine Veränderung feststellen. Verdammt - und er war sich so sicher gewesen. Sollte der Drache sich doch in einem anderen Gebiet des Gebirges befinden oder gar noch dahinter, konnte er ihn monatelang suchen. Dafür fehlte ihm aber die Zeit. Der Drache mußte einfach hier sein! Argen überlegte gerade wo er seine Suche fortsetzen sollte, als er durch seinen Helm ein gedämpftes Geräusch rechts von sich wahrnahm. Er wendete den Blick dort hin und sah einen faustgroßen Stein, das Geröllfeld hinunter rollen. Gleich darauf fiel ein weiterer Stein von oben auf das Geröllfeld und verschwand in einer Spalte. Langsam legte Argen den Kopf in den Nacken und blickte durch die Sehschlitze seines Helms nach oben. Er erstarrte. Bestimmt hundert Meter über ihm am Kopf des Felshanges hing der gewaltige Schädel einer riesigen Echse bestimmt zehn Meter über den Rand des Felsens hinaus. Der Hals des Drachens hatte mindestens den Umfang des Wachturmes der Burg derer von Bedwyr und der Schädel wirkte selbst aus dieser Entfernung riesig. Argen schluckte und kalter Schweiß perlte ihm von der Stirn in die Augen. Bei den Göttern, so gewaltig hatte er sich den Drachen nicht vorgestellt. Und den größten Teil des Halses konnte er noch nicht einmal sehen, geschweige denn den Körper. Argen kam sich angesichts dieser Ausmaße in seiner polierten Plattenrüstung und mit seiner stabilen Kriegslanze auf einmal äußerst albern und kindisch vor. Er wußte, daß er sich in Deckung begeben sollte, solange ihn das Ungeheuer noch nicht entdeckt hatte, konnte sich aber beim besten Willen nicht bewegen. Es war, als sei sein Gehirn, welches ihm laufend panisch begreiflich zu machen versuchte, daß er sich gefälligst in Bewegung setzen solle, vom Rest des Körpers getrennt, so daß seine Muskeln und Sehnen diese harschen Befehle nicht vernehmen konnten. Und so blieb er, den Blick nach oben gerichtet stehen und starrte mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen nach oben, gegen den gewaltigen Unterkiefer des Drachen, welcher still verharrte und in die Ferne zu spähen schien. Langsam begannen Argens Nervenstränge wieder Gewalt über seinen Körper zu erlangen, was sich durch einen heftigen Schüttelfrost und einem Zittern in den Knien bemerkbar machte. Der alte Ritter zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen. So etwas hatte er noch nie erlebt, selbst in der schlimmsten Schlacht nicht. Aber so sehr er auch dagegen ankämpfte, gelang es ihm nicht, Herr über diese panische Angst zu werden. Langsam, Schritt für Schritt tastete er sich rückwärts, bis er mit einem metallenen Scheppern gegen die Felswand stieß. Er schloß die Augen und zwang sich ruhig zu werden. Unter Aufbringung aller ihm zur Verfügung stehender Willenskraft, gelang ihm dies auch nach einer Weile. Seine Gedanken rasten. Wie nur sollte es ihm gelingen, ein solches Geschöpf zu überwältigen? Wie an den Drachenkristall des Untieres gelangen? Sicher nicht mit Lanze oder Schwert, so viel war klar. Selbst wenn es ihm gelang, die Schuppen des gewaltigen Drachen mit seinem Stahl zu durchbohren, zweifelte er stark, daß es ihm gelingen würde, die riesige Echse auch nur leicht zu verletzen. Aber konnte er jetzt aufgeben? Sollte er alle Hoffnung fahren lassen und unverrichteter Dinge zur Burg zurückkehren, um diese dann binnen weniger Wochen für immer zu verlieren? Nein – das konnte und wollte er nicht. Er überlegte, ob er in den alten Schriften irgendeinen Hinweis gefunden hatte, wo die Schwachstellen der Drachen lagen, konnte sich aber an keine erinnern, so sehr er sich auch bemühte. Da war nichts gewesen. Aber es mußte möglich sein, einen Drachen zu besiegen. Anderen vor ihm war es doch auch gelungen. Und war er weniger tapfer, weniger kampferprobt wie diese? Er, der er immer an vorderster Front und im Zentrum der Schlacht gefochten hatte, ohne jemals ernstlich verletzt worden zu sein? Er, der noch gestern gegen eine Übermacht von drei Kämpfern siegreich geblieben war? Nein – bestimmt nicht. Jetzt galt es einen kühlen Kopf zu bewahren und in Ruhe eine Strategie zu ersinnen, wie diesem Ungeheuer beizukommen war. Und dies würde ihm nicht gelingen, solange er sich hier auf diesem Plateau ängstlich gegen den Felsen presste, während der Drache sich genau über seinem Kopf befand und sich die Gegend anschaute. Argen blickte abermals nach oben, konnte den Drachenschädel aber nicht mehr erblicken. Langsam ging er, immer wieder einen Blick zum Himmel werfend rückwärts auf den Pfad zu, drehte sich, als er diesen erreichte, um und folgte ihm dann so schnell es ihm seine Rüstung erlaubte wieder nach unten ins Tal, wo sein tapferes Schlachtroß und der Packgaul geduldig auf ihn warteten. Gerade als er sich in den Sattel schwingen wollte, zuckte er zusammen. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht auf diese dunkle sympathische Stimme, die er just in dem Moment hörte, als er seinen linken Fuß in den Steigbügel setzen wollte.

„Seid gegrüßt Herr Ritter, welche Gefahr droht, daß Ihr Euch in voller Rüstung an diesem warmen Tag durch das unwegsame Gebirge quält?“

Argen fuhr herum und seine Hand fuhr zum Griff des Schwertes. Nur wenige Meter vor ihm, saß ein junger Mann auf einem großen Stein. Lässig hatte er ein Bein über das andere geschlagen, stützte seine Ellenbogen auf dem Knie und sah ihn interessiert an. Er hatte lange braune Haare, ein ebenmäßiges Gesicht und eine schlanke sehnige Gestalt. Bewaffnet schien er nicht zu sein, obwohl er einen mit kleinen Metallschuppen versehenen Lederwams trug. Seine ebenfalls mit Metallplättchen verstärkten Stiefel reichten bis zu den Knien und sahen schon sehr abgenutzt aus. Ob der Bursche unter seinem großen Lederumhang irgendwelche Waffen versteckt hielt, konnte der Lord nicht erkennen. Innerhalb eines Wimpernschlages hatte Argen sich von seinem Schreck erholt und wandte sich dem Sitzende zu. Er besann sich seines Ranges und fragte mit harscher Stimme:

„Wer seid Ihr und was tut Ihr hier?“

Dabei hielt er die Hand am Schwertknauf, was seinem Gegenüber nicht entgangen zu sein schien. Amüsiert lächelnd blickte dieser nämlich auf das Schwert und dann hoch. Dabei fixierte er die Sehschlitze des Helmes, welchen der Ritter immer noch trug.

„Euer Schwert werdet Ihr nicht benötigen Herr Ritter, von mir droht Euch sicherlich keine Gefahr, zumal ich nicht bewaffnet bin, wie Ihr Euch selbst überzeugen könnt.“

In einer fließenden Bewegung erhob der junge Mann sich und wickelte dabei mit einer raschen Bewegung seinen wallenden Umhang um seinen rechten Arm. Mit einer tänzelnden Bewegung drehte er sich einmal um seine Achse und lächelte Argen dann wieder an. Tatsächlich konnte dieser keinerlei Waffen am Körper des Mannes entdecken und doch hieß es, Vorsicht walten zu lassen. Zu vielem Ungesetzlichen dienten die unwegsamen Schluchten des Granitgebirges als sicherer Unterschlupf und gerade die Tatsache, daß sein Gegenüber tatsächlich bar jeglicher Waffe war, ließ Argens Mißtrauen nicht verschwinden.

„Ich frage Euch nochmals, wer seid Ihr und was tut Ihr hier?“

Theatralisch verbeugte sich der Mann vor Argen.

„Yaren Drakonar der Name, werter Herr Ritter. Und was ich hier tue? Nun, ist dies nicht ein freies Land, wo jeder das tun kann, wonach ihm der Sinn steht?“

Als Argen nach diesen Worten sein Schwert einen Handbreit aus der Scheide zog, fuhr Yaren, dessen Antwort dem Lord anscheinend nicht ausreichend erschien, fort:

„Nun Herr Ritter, wie ich sehe, seid Ihr auf eine umfassende Erklärung meinerseits erpicht. Da ihr äußerst scharfe Argumente anführt“, Yaren blickte bedeutungsvoll auf Argens Schwert, „will ich Euch diese gerne geben. Ich weiß nicht, ob Euch die Legenden über Drachen bekannt sind und ob Ihr überhaupt an Drachen glaubt. Nun ich tue es und nach allem was ich weiß, bin ich überzeugt davon, daß irgendwo hier in der unmittelbaren Umgebung ein Drache aus seinem Schlaf erwacht sein muß. Und das vor nicht allzu langer Zeit. Und auch wenn Ihr nun über mich lachen mögt, muß ich gestehen, daß in mir der Wunsch brennt, wenigstens einmal einen kurzen Blick auf solch ein Geschöpf zu erhaschen. Immerhin hat man ja nicht all zu oft Gelegenheit dazu. Denn Ihr müßt wissen, diese Wesen verbringen Jahrhunderte schlafend zu und während dieser Zeit sind sie unauffindbar.“

Argen stieß sein Schwert zurück in die Scheide, hielt aber den Griff immer noch umfaßt. „Wollt Ihr mir ernstlich weiß machen, daß Ihr völlig unbewaffnet und alleine hier im Granitgebirge umherlauft und Drachen sucht? Für wie dumm haltet Ihr mich? Wenn Euch Euer Leben lieb ist, verratet mir lieber, wo sich Eure Kumpane aufhalten. Sprecht Mann, aber diesmal die Wahrheit!“

Obwohl der junge Mann, der sich Yaren nannte, unbewaffnet und auch durchaus gut erzogen und gebildet zu sein schien, traute der Lord ihm nicht über den Weg. Er wollte es nicht noch einmal riskieren, wegen irgendwelcher Unachtsamkeit unliebsame Überraschungen zu erleben. Wieder lächelte Yaren den Ritter an und diesmal schien es Argen so, als handele es sich fast um ein mitleidiges Lächeln.

„Ihr überrascht mich Herr Ritter, wirklich! Wenn es mein Begehr wäre, Euch mit Hilfe meiner Kumpanen auszurauben oder gar zu töten, würde ich dann hier friedlich sitzend auf Eure Rückkehr warten? Hätten meine Kumpane und ich dann nicht genügend Zeit gehabt, uns Euer Roß und Euer Packpferd anzueignen? Wäre es uns dann nicht ein Leichtes gewesen, Euch auf diesem schmalen Pfad dort mit Pfeil und Bogen anzugreifen oder Euch mit unserer vermeintlichen Übermacht dort festzuhalten? Ich denke Ihr wißt wohin dieser Pfad führt und das es keinen anderen Ausweg ins Tal gibt. Wäre es bei diesen Möglichkeiten, die sich einer verwegenen Gruppe von Wegelagerern in dieser Situation bieten, nicht sträfliche Dummheit so zu handeln, wie ich es tat? Und zuletzt erlaubt mir die Frage, ob ich tatsächlich so dermaßen dumm auf Euch wirke, denn das würde meinem Ego wahrlich nicht schmeicheln.“

(Weiter zu Teil 3)