Boarding school

Autorin: Klara Duvert 

Nicht für jeden Jugendlichen war es leicht an der selben Schule zu bleiben. So auch Lena. Durchaus war sie ein ansehnliches und gescheites Mädchen. Doch der Mangel an Respekt und ihr Verhalten machten es nicht gerade leicht. Ihre Eltern sahen sich nur noch einen Ausweg. Jedes Internat und jede Schule hatte ihre Tochter schon durch. An den Noten lag es nicht. Disziplinen war an der es ihr fehlte. Ein Internat in England sollte diesen Mangel beheben. Sie glaubte sich verhört zu haben, als ihre Eltern ihr davon erzählten. Ihr Bruder begleitete sie dort hin. „Kevin lass mich hier nicht allein!“, beschwor sie ihren Bruder als sie die alten Gemäuer des ehemaligen Klosters sah. „Selbst schuld.“, rieb er ihr unter die Nase. „Was soll ich denn hier? Weit und breit nur Bäume! Wir sind hier am Arsch der Welt. Wenn du nicht willst das deine kleine Schwester Selbstmord begeht, dann drehen wir sofort um und fahren Nachhause!“ „Du wirst es schon überleben. Hier.“ Er warf ihr eine Packung Zigaretten zu. „Teil sie dir ein. Nächste Woche schicke ich dir eine Stange davon.“

Lena verzog das Gesicht. „Bitte schlag mich KO. Das überleb ich nicht. Was hat Mama gesagt? Hier wimmelt es von Pinguinen?“ Sie meinte die Nonnen die hier lebten und lehrten. Kevin hatte einen guten Rat für seine kleine Schwester: „Benimm dich. Hier sehen sie es gar nicht gerne wenn man gegen die Regeln verstößt.“ Klar, auf das hörte sie. So kannte er Lena gar nicht. Sie klammerte sich an seinen Arm und wich nicht von seiner Seite. „Hast du Angst?“, spottete er. „Können wir nicht einfach verschwinden? Hier ist etwas was mir gar nicht gefällt.“, begründete sie ihr Verhalten. Zu spät. Die Direktorin bat die beiden in ihr Büro. Lena saß still in dem Stuhl und sah diese scheinheilige Frau skeptisch an, wärend sie ihnen alles erklärte. Mit jeden Wort versank Lena mehr in dem Sessel. Kevin war weg und sie war auf sich allein gestellt. Ihre erste Frage war: „Heilige Scheiße. Wo kann man sich hier besaufen?“ Strenge Worte mahnten sie: „Glaub nicht das du die erste bist die so denkt. Wir kennen solche wie dich und bis jetzt haben wir noch jeder den Kopf gewaschen.“

Wie konnte man nur freiwillig so ein Leben führen? Der einzige Computer stand im Lehrerzimmer. Fernseher oder Radios waren sowieso keine hier. Ihre Sachen musste sie alleine durch die Gänge schleifen. Endlich war es geschafft. Ihre Zimmergenossin Felicia kniete vor dem Bett und betete. Wenn man dieses Eisengestell Bett nennen durfte. Sofort ließ Lena ihre Sachen vor Schreck fallen. Sie hatte das Gefühl diese alte Schachtel könnte sie nicht ausstehen. „Du hast Zeit bis fünf Uhr. Nutze sie und richte dich hier ein. Dann gibt es Abendbrot.“ Gott sei dank verließ sie das Zimmer wieder. So etwas verklemmtes wie Felicia war ihr noch nie unter die Augen gekommen. Dieses Mädchen sah so aus als hätte sie noch nie eine Bürste gesehen. Etwas schusselig und nervös kam sie Lena vor. „Tag, ich bin Felicia. Wir beide teilen das Zimmer.“, verkündete sie mit einem Lächeln wobei sie die Eisendrähte ihrer Zahnspange zeigte. Das Lächeln verging ihr. Lena mussterte sie und sah ob an ihr noch etwas zu retten war. Nervös spielte Felicia mit ihren Fingern und öffnete dann rasch einen Schrank. „Hier kannst du deine Sachen rein tun. Deine Uniform liegt gleich daneben.“ Lena betete sie hätte sich verhört. Sollte das bedeuten das hier alle so rum liefen wie dieses Mädchen? Ein Alptraum war nichts dagegen.

Nun ja, mit einigen kleinen Änderungen, könnte diese Uniform noch gerettet werden. Schwarz weiß. Das weiße Hemd ließ sie weg und die ersten beiden Knöpfe blieben geöffnet. Der Kittel wurde bis über Knie gekürzt und an der Seite eingerissen. Die Ärmel wurden so hergerichtete das sie möglichst viel Haut zeigten. „Das dürfen wir nicht tun. Du wirst bestraft wenn die Oberin sieht wie du dein Gewand verschandelst.“, wandte Felicia panisch ein. „Was geht es dich an? Ich werde bestraft und nicht du.“ „Aber ...“ „Halt still!“, wurde sie von Lena unterbrochen. Sie nahm ihr die Brille und den Haarreifen ab. Zwar nicht viel, aber verändert hatte sie sich. Wie gut das sie Wimperntusche und Eyeliner immer dabei hatte. Mit geneigten Kopf betrachtete sie ihr Werk. „Ich hab keinen Hunger, und du Felicia?“ Sie ließ das Mädchen nicht zu Wort kommen. Mit den Fingern strich sie durch das krause, braune Haar durch das es unmöglich war durch zu kommen. „Kindchen was hast du dir nur dabei gedacht? Ich werde die ganze Nacht brauchen um das wieder in Ordnung zu bringen.“

Lena versperrte die Tür und stapelte ihre Reisetaschen und das Bettzeug davor. Die Tasche mit dem wichtigsten hatte sie ganz oben. Alles was man zur Haarpflege benötigte. Ihnen stand eine Toilette und ein Waschbecken pro Zimmer zu. In dieses Waschbecken steckte sie Felicias Kopf und wusch ihn ihr mal kräftig. Wieder hatte Felicia Einwände dagegen. „Ich hab diesen Monat schon Haare gewaschen!“ „Kein Wunder diese Fettstränen. Du bist eine wandelnde Katastrophe. Nimm Kontaktlinsen, putz dir ordentlich dein Drahtgestell und das wichtigste, ein Peeling für deine Haut. Ist ja widerlich.“ Einen Hund zu baden war nichts im Vergleich zu Felicia. Sie hatte an alles gedacht nur an keinen Föhn. Auch schon egal. Das Haar sollte eben so trocknen. Lena öffnete ein Fenster und zündete sich eine Zigarette an. Felicia bekam auch eine angeboten, doch sie lehnte ab. „Du solltest auch nicht rauchen. Es schadet dir nur.“ „Wäre es die lieber wenn ich dir den Hals umdrehe vor Gereiztheit?“ Felicia bewunderte sie. Sie schien keine Angst zu haben. Schönheit prägte dieses Mädchen das am offenen Fenster stand. Lena wirkte abwesend, in Gedanken versunken. „Hast du Geschwister?“, wollte Felicia plötzlich wissen. Die Antwort kam ohne jegliche Betonung. „Einen Bruder, drei Halbbrüder und eine nervige Stiefschwester. Ich bin die Jüngste und das Sorgenkind.“ Sie warf den Stummel aus dem Fenster und schloss es wieder. „Sag nichts. Lass mich raten. Du hast vier Geschwister. Du bist das mittlere Kind. Einen älteren Bruder und eine noch ältere Schwester. Die beiden jüngsten sind auch Mädchen und bekommen alles was sie wollen.“ Verblüfft sah sie Lena an. Es stimmte alles was sie gesagt hatte. „Woher weist du dass? Kannst du Gedankenlesen oder so?“

„Eine Zigeunerrin weis alles und veratet niemals ihre Geheimnisse.“, spottete Lena mit übertriebenen Akzent. Zigeunerin? Das schockte das Mädchen doch sehr. „Eine entfernte Verwandte kann Karten legen und aus der Hand lesen. Sonst nichts.“ Lena sah auf den Nachttisch wo ein Foto von Felicias Familie stand. Sie zog einen zerknitterten Zettel aus ihrer Tasche den sie Felicia gab. Alle darauf sahen so fröhlich aus. Nur zwei nicht. Irgendwie jagten sie Felicia einen Schauer über den Rücken. „Ist das dein richtiger Bruder?“ „Sieht man doch. Der alte mit dem schwarzen Haar ist mein Vater der andere schwarz gekleidete ist mein Bruder. Die
beiden blonden sind Zwillinge und der mit den braunen Haar ist auch ihr Bruder. Die beiden Hexen sind meine Stiefschwester und ihre Mutter. Würden wir in einer anderen Zeit leben, würden sie am Scheiterhaufen brennen.“ Der Hass sprach aus ihr als sie von den beiden erzählte. Beide rotes Haar. Eine Familie bei der an an der Haarfarbe erkennen konnte wer zusammen gehörte. „Genug von mir. Deine Haare kommen jetzt unters Glätteisen.“, verriet Lena ihr. Praktisch, nach dem schwierigen Kämmen ging das Glätten fast von alleine. „Es ist noch früh. Kann man hier irgendwo einkaufen gehen?“ „In einer Stunde ist Bettruhe.“ „Es erfährt doch keiner das wir weg waren. Ich will mich nur einmal umsehen und etwas Spaß haben. Ich gehe auch alleine doch mit dir wird es spannender.“, sagte Lena während sie nach einem Weg suchte nach unten zu gelangen.

Ihr Zimmer war einer Seite zugewandt die nicht viel beobachtet wurde. Runter war nicht das Problem. Doch wie sollten sie wieder hinauf kommen? Egal, Lena nahm den Zimmerschlüssel an sich und schob die Taschen zur Seite. Sie gogen sich um. Eine Enge Jeans und ein noch engeres Top. So konnte sie sich nicht mit Felicia auf der Straße zeigen. „Lass mich mal sehen was du sonst noch zu bieten hast.“, wurde sie aufgefordert. Es war nicht leicht unter ihren Sachen etwas passendes zu finden. Doch dann passte es so einiger maßen. „Ich hoffe du hast keine Angst zu springen.“
Immerhin waren es zwei Meter bis zum Boden. Lena hatte damit keine Probleme, denn so war sie auch immer wieder aus ihrem Zimmer Zuhause geflohen. Doch was war mit Felicia? Sie war nicht gerade die sportlichste. Naja, auch das war überwunden. Felicia kletterte rückwärts aus dem Fenster und Lena hielt ihre Hand. „Es ist nicht mehr weit bis zum Boden. Auf drei lasse ich dich los.“, meinte Lena und begann zu zählen. „Drei.“ Ihre Hand ließ Felicia fallen. Sie verzog das Gesicht als sie sah wie das Mädchen landete. Nicht gerade eine gelungene Landung. Nach dem Lena das Licht abgedreht hatte, folgte sie ihrer Freundin.

Felicia lag noch immer am Boden, Lena musste ihr aufhelfen. „Warum habe ich mich nur darauf eingelassen?“, fragte sie sich selbst. „Ich glaube ich gehe wieder zurück.“ Lena packte sie grob am Arm. „Was willst du ihnen Sagen? Dann wissen sie auch das ich fort will und wegen dir lasse ich mich nicht erwischen.“, schnaubte sie und starrte das Mädchen wütend an. „Geh ruhig rein, aber sie erwischen dich. Ich komme von außen auch wieder rein. Dann musst du dafür gerade stehen.“ Der Griff an ihrem Arm schmerzte. Nur widerwillig kam sie mit. Eine geschlagene Stunde gingen sie der Straße entlang. Zwei lichter weckten in ihnen die Hoffnung doch schneller in die Stadt zu kommen. Tatsächlich hielt der Wagen. Ein alter dicker Mann zeigte ihnen sie sollten einsteigen. Lena lächelte ihn an. „Hi, kannst du uns in die nächste Stadt bringen? Wir wollen nur in die Stadt sonst nichts.“, beteuerte sie. Zögerlich stieg auch Felicia ein. „Ist es nicht zu gefährlich für Mädchen wie euch Nachts der Straße entlang zu gehen?“, wollte der alte wissen. Abweisend antwortete Lena: „Ich komme aus Queens. Wenn ein Mädchen dort überlebt, schafft sie's überall.“ Bevor er sie aussteigen ließ, hatte Lena noch eine Frage: „Kann man hier mit Kreditkarte bezahlen?“ Die Antwort lautete ja aber trotzdem brauchten sie etwas Bargeld. Lange irrten sie durch die engen Gassen, bis sie einen geeigneten Club gefunden hatten. Der Türsteher verlangte ein Passwort. Lena zückte einen gelben Schein und hielt ihn ihm unter die Nase. „Ist dass das richtige Passwort?“, fragte das Mädchen selbstsicher. Während dessen kaute Felicia nervös an ihren Fingernägeln. Die Tür öffnete sich für die beiden. Diese Lena hatte gelernt in jeder Bar ohne Geld aus zu kommen.

Felicia saß zusammengezwängt auf dem Barhocker und sah sich verlegen um. Ihr Freundin amüsierte sich inzwischen mit den Männern die ihr so freizügig die Drinks spendierten. Schon seit sie da waren, hielt Mike diese Schönheit nicht aus den Augen. Es endete damit das er sich mit ihr zurückziehen wollte. „Warte. Siehst du die kleine an der Bar? Schick jemanden zu ihr, ich will sie nicht allein lassen.“ Er hätte alles getan um endlich mit ihr allein zu sein. Felicias Herz pochte wie wild als der junge Guy auf sie zu kam. Was sollte sie machen? Er lud sie auf einen Drink ein und unterhielt sich mit ihr. Während des Gespreches, rückte er immer näher und legte seine Hand auf ihren Oberschenkel. Sie wusste selbst nicht ob sie ihn abweisen oder einladen sollte. Ihr Verstand übernahm das Reden: „Lass das. Ich kenne dich doch gar nicht.“ Was war nur in sie gefahren? Unter seinen Blicken war sie wie Wachs. Lena schien die Gefahr zu spüren die von diesem Mann ausging. „Stop, stop, stop. Ich kann nicht.“, beharrte sie. Mike ließ sich nicht davon ablenken ihren Hals zu Küssen. „Warum nicht?“, wollte er plump wissen. Ihr fiel keine andere Ausrede ein: „Ich habe vergessen meine Pille zu schlucken.“ Noch immer hielt er sie fest, doch Lena gelang es sich aus seiner Umklammerung zu befreien. „Sehe ich dich Morgen wieder?“, rief er ihr noch nach. Ein Vielleicht bekam er zur Antwort. Sie schnappte sich Felicia und lief mit ihr auf die Straße. Diese verstand es nicht das sie gerade jetzt gehen mussten. „Hauptsache du hattest deinen Spaß!“, hielt sie Lena vor. „Sei still. Ich hab gar nichts getan. Wir müssen hier weg.“ Kaum waren sie auf offener Straße, schon hatten sie noch mehr Schwierigkeiten am Hals.

Die Oberin hatte sie erwischt. Aber was machte sie so spät noch hier? Lena war nicht in der richtigen Position um Fragen zu stellen. Nur zu gerne stieg sie ins Auto ein, als sie sah das Mike und Guy um die Ecke kamen. Sie war noch nicht einmal einen Tag hier und hatte schon Ärger am Hals. Gleich nach dem Aufstehen durften sie hinunter in den Keller und dort den ganzen Plunder zusammenräumen. „Das ist alles nur deine Schuld!“, fuhr Felicia ihre Freundin an. „Reg dich ab! Immer noch besser als diesen Typen in die Hände zu fallen.“ Da hatte sie Recht, doch dass wusste Felicia ja nicht. Lena konnte es nicht unterlassen das was sie gefunden hatte Felicia zu zeigen. Hinter all den Schachteln die an der Mauer aufgeschlichtet waren war etwas in den Stein gemeisselt. Es war so als käme ein Windhauch aus der Mauer. „Was machst du da?“, fragte Felicia und sah ihr interessiert über die Schulter. „Lesen. Da steht etwas von Bann ... verdammt oder Verdammter ... und ruht. Dieser Schuppen ist doch nicht so langweilig wie ich dachte.“, gab Lena von sich. Felicia wurde es zu viel. „Ich verschwinde.“ Lena gab einen überraschten Seufzer von sich.
Dabei lehnte sie sich an der beschrifteten Mauer an. „Ich dachte nicht das du ...“ Der Satz wurde von ihrem Geschrei unterbrochen. Die Mauer hatte nachgegeben und Lena fiel eine steile Treppe hinab.

Entsetzt rief Felicia ihren Namen und rannte ihr mit einer Taschenlampe nach. Am Treppenansatz fand sie Lena am Boden liegend. „Ist dir was passiert?“, erkundigte sie sich voller Sorge um ihre Freundin. „Aua.“, klagte Lena und fasste sich an den Kopf. Der Schein der Lampe enthüllte tief verborgene Geheimnisse die diese Mauern schon seit Jahrhunderten versuchten zu waren, die zwei blutjunge Mädchen jetzt enthüllten. Diese Kammer war mit gutem Grund in Vergessenheit geraten. Ihre Blicke fielen auf eine silberne Kiste die in der Mitte auf einem Potest stand und einem Sarg ähnelte. Vor Schreck ließ Felicia die Taschenlampe fallen. Es war ein Sarg, wo Lenas Hand darüber strich. Es gab keine Stelle an der man ihn hätte öffnen können. Ein tiefer Schnitt durchquerte Lenas Handfläche, als sie damit über das Wappen fuhr. Fluchend sah sie zu wie die Tropfen ihres Blutes in den Sarg gesaugt wurde. „Das wird selbst mir zuviel. Lass uns verschwinden.“, forderte Lena auf zu gehen. Nur all zu gerne verschwanden sie wieder. Der Tag war geschafft und sie hatten jetzt endlich Zeit um sich aus zu ruhen. Diese Nervensäge war selbst zu müde um sich noch zu beschweren. Das Eisenbett quietschte unter ihrem Gewicht. Auf den Knien konnte sie sich auch etwas anderes vorstellen als nur den Boden zu scheuern. „Nur noch schlafen.“, murmelte sie in ihr Kissen. Eines musste sie Felicia lassen, wie dumm sie sich auch bei manchen Sachen anstellte, bei der Hausarbeit war sie unschlagbar.

Selbst das Essen war Lena in diesem Schuppen vergangen. Darum auch diese Antwort auf Felicias Frage ob sie mitkomme zum Abendbrot: „Nein, die Kohlsuppe und das rohe Gemüse kommt mir noch immer hoch.“ Wie Still es doch war als das Mädchen gegangen war. Ungewollt entglitt Lena in das Reich der Träume. Sie war alleine und in der Kammer die sie gefunden hatte. Düster aber auch anziehend. Fliehen war zwecklos. Ihr Nackenhärchen sträubten sich. Etwas war hinter ihr. Ruckartig drehte sie sich um. Starr blickte sie in ein blasses eingefallenes Gesicht. Regungslos stand sie ihm gegenüber. Seine Hand glitt durch ihr Haar und zog sie daran zurück. Warum hatte sie in dieser Sekunde keine Angst? Zitternd streckte sie ihre Finger in seine Richtung. Bevor sie seine blasse Haut berühren konnte, ergriff er ihr Handgelenk und zog sie mit sich zu Boden. Forschend streichelten seine Finger ihre Konturen nach und streichelten ihre Lippen. Etwas schnürte ihr die Kehle zu. Nach Luft ringend fuhr sie aus dem Bett hoch. Das konnte kein Traum gewesen sein. Lena fühlte noch immer seine eisigen Finger auf ihren Lippen. Zitternd griff sie nach ihren Zigaretten. Es war schon dunkel. Sie traute ihren Augen nicht als eine seltsam vermummte Gestallt unter ihrem Fenster vorbei huschte. Diese Hände die sie kurz erhascht hatte kannte sie doch. Jene die sie so grob gefangen hielten und sie so zärtlich streichelten. Kreidebleich wankte sie zurück. War es also doch kein Traum gewesen? Gab es diese Wesen wirklich? Ihre Fantasie musste ihr einen Streich gespielt haben.

Das öffnen der Tür ließ sie herum fahren und ein entsetztes Gesicht machen, in dass Felicia schauen musste. „Was ist? Du siehst aus als hättest du einen Geist gesehen.“, stellte sie mehr belustigt als mitfühlend fest. „Lass mich in ruhe. Ich hab Kopfschmerzen.“ Diese Begegnung hatte Lena ziemlich aus der Fassung gebracht. Sie wollte nur noch schlafen. So schnell wie möglich. Auch Felicia fühlte sich plötzlich so müde. Von Lena hatte sie es sich abgeschaut in Slip und einem ausgeleierten T-Shirt zu schlafen. Gegen neun war es schon stock finster. Felicia begann sich in ihrem Bett zu winden. In ihrem Traum war sie wieder in dieser Kammer. Langsam schritt sie die letzten Stufen in den hell erleuchteten Raum. Ihre nackten Beine fühlten den kalten Steinboden. Wie gebannt blieb sie stehen und riss die Augen weit auf. Der Sarg! Er stand weit offen und war leer! Als ob er sie rief schritt sie auf ihn zu. Sie wollte fliehen, doch ihr Körper gehorchte ihr nicht mehr. Ängstlich berührte sie den Samt mit dem der Sarg gepolstert war. Plötzlich vernahm sie ein leises doch schreckenerregendes Knurren. Schreckliche Dinge geschahen. Das Wesen dem sie in die schrecklich rot glimmenden Augen gesehen hatte, hatte sie in den Sarg gepfercht und zwängte sich zwischen ihre Beine. Felicia schrie aus vollem Halse, doch niemand vernahm ihre Schreie.

Ihr Herz klopfte zum zerspringen, auch noch als sie erwachte und hochfuhr. Eine entzündete Kerze auf Lenas Nachttisch legte einen schaurigen Schatten auf ihr hübsches Gesicht. Die Augen weit geöffnet starrte sie das verängstigte Mädchen auf dem Bett gegenüber an. „Hast du schlecht geträumt?“, fragte sie. „Es war alles so echt. Ich weiß überhaupt nicht mehr was wahr ist.“, seufzte Felicia. Geschmeidig erhob sich Lena, glitt an das Bett ihrer Freundin und sah sie fasziniert an. Streichelte durch das von Naturlocken geprägte Haar und drückte sie zurück in die Matratze. „Du hast von Thomas geträumt.“, begann die kleine Schönheit und setzt sich breitbeinig auf das Mädchen dessen Herz noch immer wie wild schlug. „Er hat dich in seine Welt gebracht.“ „Wa ... was machst du da?“, stotterte Felicia. Lena presste ihr ihre Knie in die Seite und rutschte langsam auf und ab. „Sag mir Felicia. Hat es dir gefallen was er mit dir gemacht hatte?“ Wie konnte sie so etwas sagen? „Hör auf!“, rief Felicia und stieß sie von sich.
Lena fiel auf alle viere, ihre Haare hingen ihr wirr ins Gesicht. Knurrend hob sie den Kopf. Panisch warf Felicia das Bettzeug weg und stolperte zur Tür.
Erschrocken riss sie die Augen auf. Wie hatte Lena es geschafft? Sie lag gerade noch am Boden und schon stand sie vor der Tür und versperrte ihr den Weg. „Wie ...“, fragte das Mädchen mit zitternder Stimme.

Grausam lächelte Lena und griff nach ihrer Hand. „Die Frage lautet nicht wie, sondern warum?“ Die Finger die ihr Handgelenk umfassten waren eiskalt. „Komm jetzt. Thomas will dich sehen. Du willst ihn doch nicht warten lassen.“ Ihre Freundin klang entschlossen sie zu diesem Thomas zu zerren. „Lass mich los! Ich schreie wenn du mich nicht loslässt.“, drohte sie und versuchte sich los zu reißen. „Schrei ruhig so laut du kannst. Thomas hat bereits sein altes Heim wieder eingenommen.“ Felicia verschlug es die Sprache. Sie fühlte sich plötzlich wie benommen. War das bereits der Bann des Vampirs der von ihr besitz ergriff? Drängend zerrte Lena sie in die Kammer die sie beide entdeckt hatten. Der Mann von dem sie geträumt hatte, wartete schon auf sie. Langsam entglitt Lenas Hand und ließ sie alleine stehen. Anmutig schritt Lena zu dem Mann der eine Hand nach ihr ausgestreckt hatte. Sie schloss ihre Augen und genoss das Streicheln auf ihrer Wange. Er war zwei Köpfe größer als das Mädchen zu deren Lippen er sich hinunterbeugte um sie zu kosten. Beide wandten sich Felicia zu. Über Lenas Lippen zog sich einen dünne Blutspur. Sie vermochte kein Wort mehr von sich zu geben. Nochmals drehte Thomas das Gesicht des Mädchen zu sich und nahm das Blut mit seiner Zunge von ihrem Kinn. Dann trat er einen Schritt zur Seite und überließ ihr den Mann der hinter ihm lag.

Bebend sah sie zu wie der Vampir auf sie zu schwebte. Auch ihre Wange erfuhr seine Liebkosung. Seine Augen glitzerten in dem schwachen Licht das den Raum erleuchtete. Ihr wurde ganz anders. Diese Stimme, sie klang so beruhigend und so heilend. Sie vergaß die Ängste die sie hatte und lauschte seinen Worten. „Felicia.“, raunte er ihren Namen. „Ich habe mich nicht geirrt. Du bist wirklich so schön wie ich mir dich vorgestellt habe.“ Was, ich, schön?, fragte sie sich und spürte wie das Blut in ihre Wangen stieg und ihnen eine rötliche Farbe verlieh. Ihr erster Kuss. Sie wusste nicht wie sie Reagieren sollte. Ihre Arme hingen hilflos an der Seite und Thomas hielt sie an den Schultern fest. Was auch notwendig war, denn sie bekam weiche Knie. Ein angenehmes Kribbeln durchzog ihren Körper. Sie schloss ihre Augen und erwiderte seine Bewegungen in ihrer Mundhöhle.

Hilflos öffnete sie sie wieder, als seine Lippen an ihrem Kinn hinabwanderten und eine weiche Stelle an ihrer Kehle liebkosten. „Was machst du da?“, brachte sie erschrocken hervor. Er zog ihren Kopf am Haar zurück in den Nacken und hauchte seine Worte auf den gestreckten Hals. „Du bist so schön. Ich danke dir dafür das gerade so wunderschöne Wesen wie ihr beide mich aus meinem Gefängnis befreit habt.“ Seine Zunge wanderte suchend über ihren Hals und fand die Stelle an der der Puls am heftigsten Schlug. „Du herhältst dafür ein Geschenk von mir.“ Zwei Mädchen brauchte er. Lena war der Körper, und Felicia war die Seele an der er interessiert war. Mit dem Kuß der Verdammnis hatte er schon Lena in sein Reich gezogen. Nun war Felicia seine verhängnisvolle Macht am eigenen Leib zu spüren. Zwei Stiche die sie zusammen zucken ließen. Sie war zu schwach um sich gegen ihn zu wehren. Langsam entwich das Leben aus ihr und ging auf Thomas über. Schluck für Schluck sank sie mehr und mehr in seine Arme. Ihre Finger vergruben sich zitternd vor Schmerz in Stoff seines Gewandes. Doch der Sog an ihrem Hals und der anschließenden süße Geschmack in ihrem Mund machten das von ihm zugefügte wieder gut.