Vorbemerkung
Der folgende Text ist ein Auszug aus meinem Roman Vampirwinter, der unter meinem bürgerlichen Namen erschienen und im (Internet)Buchhandel zu kaufen ist. Vielen Dank an Heshthot Sordul, dass er es mir erlaubt, an dieser Stelle auf die Existenz meines Buches hinzuweisen!
Die Verführung beginnt auf dem „Ball der Vampire“. Die Personen sind Beatrice und ihre neue Freundin Malia, die gerade zwei Männer, Christoph und Mike kennen gelernt haben.
Den „Ball der Vampire“ gibt es in Heidelberg wirklich. Er ist sehr beliebt und fand viele Jahre lang in der prächtigen Heidelberger Stadthalle statt, bis er für einige Jahre in den Mannheimer Rosengarten verlegt wurde. Nun kehrt er wieder nach Heidelberg zurück und wird am 04. Februar 2005 zum erstenmal im Königsaal des Heidelberger Schlosses stattfinden. So festlich, wie ich ihn beschrieben habe, ist er heute aber leider nicht mehr.
George LeMaître, Januar 2005



Aus dem Roman:



Die Verführung

(Copyright 2004 by Jürgen Romainczyk)


Es wurde eine rauschende Ballnacht. Beatrice und Christoph tanzten einen Walzer nach dem anderen, tranken ein Glas Wein zwischendurch und tanzten wieder. Christoph führte hervorragend. Sie hatte das Gefühl, sich wie auf einem Karussell durch den Raum zu drehen, als sie zwischen den anderen tanzenden Paaren hindurchwirbelten. Um Mitternacht verstummte nach einem Tanz plötzlich die Musik und eine finstere Gestalt betrat die Bühne. Beatrice hörte, wie hinter ihr jemand „Nosferatu“ flüsterte. Der weißgesichtige und kahlköpfige Frackträger auf der Bühne blieb in leicht gebückter Haltung stehen, wandte sich dem Publikum zu und schaute in die Menschenmenge. Seine Ohren waren unnatürlich lang und spitz, seine Augen schienen blutunterlaufen. Sie hatte das Gefühl, dass diese Augen sie fixierten und wünschte, er würde seinen Blick schnell wieder abwenden. Nach einigen Sekunden ging er weiter, setzte sich an das Regierwerk der großen Orgel, griff in die Klaviaturen und ließ gewaltige Akkorde in düsteren Klangfarben ertönen.
Alles stand wie gebannt und verfolgte die unheimliche Vorstellung. Nach einer knappen Viertelstunde beendete der schauerliche Musiker seine gespenstische Darbietung, verbeugte sich vor dem Publikum und verschwand wieder hinter der Bühne.
Einige Augenblicke der Ruhe folgten, bevor die Musik wieder einsetzte. Ein langsamer Walzer ließ nach und nach den schaurigen Eindruck verklingen, den das dämonische Orgelintermezzo hervorgerufen hatte.
Christoph lud Beatrice zu einem weiteren Glas Wein ein. Längst war sie von den genossenen Getränken berauscht, aber dem golden-süßen Weißwein mit seinem Geschmack nach Pfirsich, Aprikose und Honig konnte und wollte sie an diesem Abend nicht widerstehen. Und vor allem ihrem Kavalier konnte und wollte sie an diesem Abend nicht widerstehen. Vor allem dann nicht, als er sie in den Arm nahm und küsste ...

Wenige Meter entfernt stand Malia und beobachtete die beiden. Eben kam Mike (so der Name von Malias Bekanntschaft) von einer der Cocktailbars zurück und brachte einen „Dracula Ice Tea“ und einen „Carmilla’s Wet Dream“ mit. In dem gedämpften, aber edlen Licht, das die großen, von der hohen Decke hängenden Kronleuchter von sich gaben, funkelte der „Ice Tea“ in einem leuchtenden Hellrot, während der „Wet Dream“ in einem tiefen Rosa erstrahlte.
„Hast du ‘ne Ahnung wer Carmilla ist?“ fragte Mike und reichte Malia das Glas.
„Daaas ... muss wohl eine Vampirin sein!“, antwortete Malia und machte eine spitzbübisch schlaue Miene.
„Echt scharf, dass es auch weibliche Blutsauger gibt“, meinte Mike, entblößte seine falschen Vampirzähne und verzog sein Gesicht zu einem unsympathischen Grinsen.
[...]

Malia und Mike saßen in der „UnheilBar“. Sie hatten auf den hohen Barhockern direkt an der Theke Platz genommen und tranken Cocktails mit Absinth.
„Du hast ja wirklich eine ganze Menge Selbstbewußtsein, woher nimmst du das denn?“
„Das Selbstbewußtsein geben mir die Frauen“, protzte Mike. Wenn irgend möglich, war sein Grinsen noch breiter als sonst.
„Aha, du nimmst wohl mit, was du kriegen kannst?“, fragte Malia mit undurchsichtigem Lächeln. Ein aufmerksamer Zuhörer hätte vielleicht das gefährliche Lauern in ihrer Stimme bemerkt.
„Fällt mir nicht ein! Die Frauen müssen schon sehr gut aussehen; mit Durchschnittsware geb‘ ich mich nicht ab!“ Er schaffte es tatsächlich, sein Grinsen noch zu intensivieren.
„Sieh an, ein richtiger Macho. Ich wette, emanzipierte Frauen sind überhaupt nicht dein Ding?“
„Why not? Wenn sie unbedingt oben liegen wollen, ist das für mich auch o.k.“ Sein Grinsen war jetzt unmöglich noch zu steigern. 
Malia trank ihr Glas aus und schaute ihn dabei mit einem Blick an, der seine Mundwinkel zumindest ein wenig absinken ließ.
„Zahlst du mir noch einen Absinth?“, fragte sie keck.
Mike zahlte gerne einen zweiten Absinth. Auch einen dritten. Beim vierten wurde er dann doch langsam ungeduldig und bemühte sich zunehmend, auf Tuchfühlung zu gehen.
„Ich wohne auf der anderen Seite des Flusses“, sagte sie endlich und schaute ihm tief in die Augen. „Kommst du mit?“
Seine Mundwinkel schnellten in die Höhe. 
Wenige Minuten später verließen sie das Café und gingen in Richtung Fluss. Mike trug eine schwarze Lederjacke und Malia einen langen Mantel, ebenfalls aus schwarzem Leder. Es schneite leicht. Als sie über den Marktplatz schritten, sah Malia wie auf einer Seite des Platzes gerade ein Paar eilig in einer kleinen Seitengasse verschwand. Beatrice und Christoph. Ihre Augen funkelten böse.

Beatrice und Christoph stiegen zügig die Treppe des Altstadthauses hinauf, um rasch in die behagliche Wärme des Dachapartments zu kommen. Auf ihren Köpfen und Schultern hatten sich schon viele nasse Schneeflocken niedergelassen.
Als sie endlich in der Wohnung waren, gab es keine großen Worte mehr. Er nahm sie in den Arm und küßte sie leidenschaftlich. Sie erwiderte den Kuss mit Inbrunst. Eng umschlungen und sich immerfort küssend torkelten sie zum Bett und wären auf dem Weg dorthin fast gestürzt, als sie über Beatrice‘ Hausschuhe stolperten. Sie ließen sich aufs Bett fallen und liebkosten sich weiter, während er sich daran machte, sie nach und nach ihrer Kleider zu entledigen, wobei natürlich auch seine eigenen Stück für Stück auf dem Fußboden landeten.
„Autsch“, rief Beatrice, „du hast mich in die Lippe gebissen!“
„Ich hab dich zum Fressen gern“ antwortete er, biss ihr liebevoll in den Hals und lächelte sie frech an.
„Ich glaube, du bist wirklich ein Vampir, du hast ja ganz spitze Zähne“, feixte sie.
Offenbar fiel ihm darauf nichts ein, denn anstatt etwas zu sagen, küsste er die Spitzen ihrer kleinen, festen Brüste und machte sich dann an ihrem Schlüpfer zu schaffen, um auch das letzte Hindernis zu beseitigen, das sich noch zwischen ihm und dem Ziel, welches er in diesem Moment am meisten begehrte, befand ...

Nachdem Malia und Mike die alte Steinbrücke überquert hatten, bog sie vom Gehweg ab und ging auf die schneebedeckte Uferwiese.
„Komm mit, ich kenne ein lauschiges Plätzchen direkt am Wasser.“
Mikes Mundwinkel fielen herab. Sein Mund öffnete sich ein Stück, aber es dauerte einen Moment, bevor Worte herauskamen.
„... was zum Henker ... Ey, ich dachte, wir wollen zu dir! Verdammt, warte doch!“ Malia war unbeirrt weitergelaufen. Er rannte ihr nach. „Hey Baby, wenn du es im Freien treiben willst, dann muss das aber wirklich ‘ne ganz heiße Nummer werden! Ich hab‘ echt nichts gegen Natur und so, aber es ist saukalt und schneit immer stärker!“
„Hast du Angst, dass dir in der Kälte irgendwas einschrumpft?“
Murrend lief er neben ihr her. So eine abgefahrene Braut war ihm noch nie untergekommen. Wenn ihn die rassige Schwarzhaarige nicht dermaßen anschärfen würde, dann würde er solche Stories nicht mitmachen. Immerhin hatte er morgen Abend ein Konzert mit seiner Band und keine Lust, sich eine Erkältung zu holen.
Rasch waren sie am Wasser. Der Fluss führte leichtes Hochwasser und strömte schnell dahin. Der Blick in die dunklen Fluten verursachte Mike Unbehagen. Mußte eiskalt sein, das Wasser. Seine Begleiterin beschleunigte ihre Schritte. 
Nach einigen Minuten erreichten sie ein gut mannshohes Gebüsch direkt am Ufer. Malia schlüpfte durch die Sträucher, Mike folgte ihr. Hier gab es einen kleinen Platz zwischen dem Ufer und dem Buschwerk, eine Art Lichtung von etwa zwei auf drei Metern. Vom Weg oder der Wiese aus konnte man nicht gesehen werden. Direkt gegenüber lag in einiger Entfernung eine wenigstens hundert Meter lange, bewaldete Insel im Fluss. Auch von dieser Seite brauchte man also keine Zuschauer zu befürchten. Der nicht mehr ganz volle Mond war hinter den Schneewolken noch schwach zu erkennen und warf ein fahles Licht über das Wasser.
„Nicht übel“, knurrte Mike. Ich wette, der Yeti würde hier zu Hochform auflaufen.“ Plötzlich fand er sein altes Grinsen wieder. „Da hab‘ ich ja echt Glück, dass du so ein heißes Teil bist.“
„Erzähl keine Geschichten, komm her“, sagte Malia und zog ihn auf den verschneiten Boden.
Sie küßten sich lange und intensiv. Beide hatten eine Menge Praxis. Dann bewegte Malia ihren Mund langsam von seinem weg und bedeckte seine linke Wange mit feinen Küssen. Ihre Lippen wanderten tiefer und tiefer und verwöhnten seinen Hals mit zärtlichen kleinen Bissen.
„Mmm, meine Rassekatze, mein Schwarzer Panther“, murmelte er wollüstig.
Ihre Lippen und ihre Zähne umschlossen seinen Adamsapfel. Weiter und immer weiter öffnete sich ihr Kiefer, so weit wie man es nur von einer Schlange, aber nicht von einem Menschen kennt.
Sie biss zu. Mit aller Kraft. Ihre Zähne drangen durch Haut, Fleisch, Adern und Knorpel. Das Blut schoß aus der Wunde.
Ein krampfhaftes Zucken durchlief den unter ihr liegenden Körper. Ein krächzendes Gurgeln war zu hören. Für die Zeit eines Herzschlages wollte er sich wehren, versuchten seine Hände, sich in ihren Rücken zu krallen. 
Dann ließ der Schock ihn erstarren. Er bewegte sich fast nicht mehr. Lediglich leichte Konvulsionen durchzitterten noch seinen Körper.
Malia trank. Gierig saugte sie sein Lebensblut aus ihm heraus. Das Blut besudelte ihr Gesicht und lief an seinem Hals hinunter in den Schnee. Es war genügend vorhanden, um einen großen Blutdurst zu stillen. Sie trank und trank. Als sie endlich genug hatte, löste sie ihre Zähne aus seinem zerfleischten Hals, holte mit geschlossenen Augen tief Luft, rollte sich von ihm herunter und blieb schwer atmend auf dem Rücken liegen. Große kalte Schneeflocken fielen aus dem Nachthimmel auf sie herab und schienen ihr verschmutztes Gesicht reinwaschen zu wollen.
So lagen sie eine Minute nebeneinander.
Mike bewegte sich leicht. Ein leises Röcheln war zu hören. Malia stand auf, stellte sich mit gespreizten Beinen über den am Boden liegenden Körper, blickte auf ihn herab und setzte sich dann auf seine Lenden nieder. Sie fasste mit beiden Händen den Kragen seiner Jacke und zog den Oberkörper ein Stück zu sich herauf. Noch immer kam Blut aus seiner klaffenden Wunde am Hals und auch aus seinem Mund. Er blickte mit brechenden, verständnislosen Augen in ein Gesicht, auf dem sich diabolischer Jubel abzeichnete. Sein Mund bewegte sich kaum merklich, so als wolle er noch etwas sagen. Aber es war nur die Stimme seiner Verderberin, die man hörte.
„Adieu mein Großer. Gleich spielst du das Lied vom Tod. Ich weiß, du hältst dich für einen ganz Bösen, aber ich bin noch tausendmal böser als du.“
Dann lachte sie laut ihren Spott heraus und noch während sie so die Nacht mit ihrer ruchlosen Freude erfüllte, erhob sie sich und schleuderte den unter ihr Liegenden mit einer einzigen kraft- und schwungvollen Bewegung ins Wasser.
Schnell war Mike in den dunklen Fluten verschwunden.