Midwitch Connors - oder: Das Haus der Schreie

(Copyright 2001 by Lucretia)

Es war eine stürmische Dezembernacht (...wie viele Geschichten mit diesem Satz wohl schon angefangen haben mögen?)

Wütend, einem verschmähten Geliebten gleich, rüttelte der Wind an den dünnen Zweigen der Trauerweiden im Garten des großen Anwesens Midwitch Connors.

Es war eine Nacht, die selbst dem hartgesottensten Einwohner des verschlafenen Ortes Midwitch kein ruhigen Schlaf vergönnen würde.

Wie das düstre Landhaus dort oben einsam auf dem Hügel stand, hatte es schon vielen Reisenden, welche die unwegsamen Straßen durch das furchteinflößende Tal entlang fuhren, einen kühlen Schauer den Rücken hinunter gejagt.

So war es auch nicht verwunderlich dass sich unzählige phantastische Erzählungen wie ein Netz aus Angst um die düstren Mauern des Hauses auf dem Hügel spannten.

So berichtete einmal eine verwirrte alte Frau aus dem unscheinbaren Örtchen Midwitch, sie habe gellende Schreie aus dem Inneren des Anwesens vernommen und eine Gestalt sei an einem der Fenster erschienen und hätte ihr aus bedrohlich funkelnden Augen direkt ins Gesicht geblickt, so dass sie fast zu Tode erschrocken war.

Die Bewohner des kleinen Ortes gaben nie viel auf das Geschwätz der Alten, aber ging es um Midwitch Connors so wurden sie jedes Mal aufs Neue schlagartig hellhörig.

Doch nachdem auch diese Geschichte eine Woche lang für Aufregung und Entsetzen unter den Einheimischen sorgte, verblasste sie alsbald ebenso schnell wie sie entstanden war.

Oft waren auch ahnungslose Touristen Opfer dieser und anderer Schauergeschichten über das „“Haus der Schreie“ wie die Bewohner es mit vor Angst bebender Stimme nannten.
Viele dieser arglosen Besucher wollten das Geheimnis, das dieses Anwesen umgab lüften - niemand derer, die auszogen es zu ergründen, ward jemals wieder gesehen.

Und immer dichter wurde das Netz des Entsetzens um den verlassenen Hügel gewoben....

Bis zu jenem Tag, da ein Priester in dem verschlafenen Dorf Unterkunft für die Nacht suchte auf seiner Reise durch das unwegsame Gebirge um Midwitch.

In der Wirtstube ersann man bei seiner Ankunft geradewegs erneut ein mystisches Geschehen im „Haus der Schreie“. Eine Frau in weißem wallenden Gewand sei in der Nacht um das Anwesen geschlichen und ihr langes wallendes Haar habe im Mondlicht silbern geschimmert.

Ein Geist wandelte dort, so munkelte man - anders könne es sich nicht zuigetragen haben!

Der gottesfürchtige Priester, von dieser Geschichte beflügelt in seiner missionarischen Aufgabe, sagte er wolle noch am selben Abend aufbrechen, das Geheimnis um Midwitch Connors zu lüften.

Gewarnt hatten sie ihn - oh ja! Und berichteten ihm von den unzähligen traurigen Schicksalen jener, die es vor ihm versucht hatten. Niemand sei jemals zurückgekehrt....

Doch er ließ sich nicht beirren in seinem Vorhaben.

Mit seiner schwarzen Robe und seinem festen Glauben in die Allmacht Gottes als seine beiden einzigen Waffen gegen das Böse zog er aus, den Satan aus diesem Hause zu vertreiben..

8 lange Tage sah und hörte man nichts von ihm...

Bis am neunten Tag plötzlich wie aus dem Nichts ein Mann auf den Marktplatz trat. Schwarze Fetzen von dickem Stoff hingen an ihm herab und mit gesenktem Haupte tat er seine Schritte.
Es war der Priester!

Erstaunt stürmten die Einheimischen auf ihn zu und geboten ihm alsbald das Geschehene zu berichten.

Völlig außer Atem begann er das Erlebte zu schildern..

Sie fragten ihn ob er denn wohl Geistern dort in diesem Haus begegnet sei.

Aber er antwortete nur mit maßlosem Entsetzen in den blutunterlaufenden Augen, dies wäre ihm eine Gnade gewesen in diesen schrecklichen 8 Tagen. Nein weitaus Schlimmeres hätte sich zugetragen!

Gebannt und voll ungeduldiger Erwartung lauschten die Anwesenden seinen Worten.

Ein schreckliches Bild habe sich ihm dort dargeboten!

Wilde Orgien hätte es gegeben!
Da waren Frauen und Männer entblößt und im Angesicht des Fleisches hätten sie sich gedankenlos ihren Trieben in jeder erdenklichen und unerdenklichen Art hingegeben!!

Auch ihm wären sie beinahe zuleibe gerückt!
aber er konnte sich gerade noch so retten!
In einem Wandschrank versteckte er sich und war dort gefangen, denn er konnte nicht fliehen aus seinem grausigen Gefängnis - in diesem Satanshaus schien niemals jemand zu schlafen!!

Waren es Dämonen fragte dort jemand aus dem Kreise der gebannten Zuhörer.

Aber nein! Wären es Dämonen gewesen, so hätten sie ihm nichts anhaben können, er sei ja ein Geweihter und ehrfürchtiger Mann Gottes - Nein Menschen aus Fleisch und Blut seien es gewesen beflügelt von exstatischen blasphemischen Trieben, von denen er nie etwas zuvor auch nur erahnt haben könnte!

...

Und so wurde aus der Keuschheit eines dusseligen Priesters die Lüftung des Rätsels um das angeblich verlassene Anwesen auf dem Hügel - in Wahrheit war es ein Edelbordell und alle, die es je zuvor aufsuchten, erzählten natürlich niemandem etwas davon, denn sie wollten ja nicht, dass es geschlossen wurde - denn sie kehrten dort gern immer wieder ein...

Ende 

03.04.2001 by lucy