Abschiedsbrief des Vampirs

 

Durchs Fenster sah ich zu ihr hinein,

sie lag im Bett – so schön, so rein.

Ihr golden Haar floss über die Kissen,

oh Gott – wie tat mein Herz sie missen.

Gegen Fensterglas presst ich die Hände,

wenn ich zu ihr den Weg nur fände.

Doch konnt‘ ich nicht mehr bei ihr sein,

mir blieb nur die Nacht allein.

Damals waren so glücklich wir

und ich schenkte mein Herz nur ihr.

Wir tanzten froh im Sonnenschein

und bald sollte die Hochzeit sein.

"Ein schönes Paar!", sagten sie alle,

während wir schwebten durch die Halle.

Dies war mein schönster Sylvesterball,

Raketen knallten laut mit Hall.

Der Himmel erstrahlte hell voll Farben

und keiner von uns mußte darben.

Sie war die schönste Dame hier,

sie und die Zukunft gehörten mir!

Die Zeit verging, sie wollt zu Bett,

daß fanden meine Freunde nett.

Denn diese hatten was geplant,

wovon ich nichts hatte geahnt.

Die letzte Nacht als Junggesell‘,

sollte für mich vergehen schnell.

So schleiften sie vom Fest mich fort

und führten mich zu fremden Ort.

Dort fanden wir in dunkler Gasse,

eine Dame voller Rasse.

Ihr schwarzes Haar war wie die Nacht,

ihr Körper eine wahre Pracht.

Die roten Lippen, feucht und prall –

mich durchfuhr ein heißer Schwall.

Die Freunde kicherten und lachten,

als zu der Frau sie mich hinbrachten.

Und immer wieder riefen sie:

"Diese Nacht vergißt Du nie!"

Denn diese Nacht sei ich noch frei

und daß morgen wär‘ vorbei.

Denn morgen sei ich ein treuer Gatte,

der solches nicht zu tun hatte.

Der Wein machte mich wohl verrückt

und von dem Weib war ich entzückt.

Verzaubert hatte mich ihr Blick

und für mich gab es kein Zurück.

Ich trank noch schnell die Flasche aus,

dann folgte ich ihr in das Haus.

Dunkel war’s dort und nicht geheuer,

doch brannte der Wein in mir wie Feuer.

Die pure Lust und nied’re Triebe,

ließen vergessen mich die Liebe.

In jener Nacht sank ich so tief,

während daheim die Liebste schlief!

Doch an diese dachte ich kaum,

als ich betrat den dunklen Raum,

in welchen mich die Schöne führte

und wo ich ihre Küsse spürte.

Sie zog sich aus und sprach kein Wort,

auch ich warf meine Kleider fort.

Sie küsste mich so sanft und zart

und gleich darauf fordernd und hart.

Und schließlich schwanden die Sinne mir

und ich verlor mich ganz in ihr.

Die Wollust hielt mich fest gepackt.

Ich lag bei ihr, verschwitzt und nackt.

Und gleich darauf wurd‘ mir ganz schlecht,

den was ich getan, das war nicht Recht.

Die Liebste hatte ich betrogen!

Ich hatte sie und mich belogen!

Und in mir staute Wut sich an,

die ich an jener ausließ dann,

zu der die Freunde mich geführt

und ohne die, wär‘ nichts passiert.

Ich schimpfte und ich schrie sie an,

als sie zu ändern sich begann.

Die Augen, vormals sanft und braun,

weckten in mir plötzlich das Grau’n!

Denn blutig rot glühten sie bald,

während ich heftig noch sie schalt.

Die Fingernägel wurden lang

und ich verstummte endlich bang.

Ich wollte fort – nur weg von ihr,

doch versagten meine Beine mir.

Und als sie erstmals etwas sagte

und ich sie anzuschauen wagte,

erblickte ich in voller Länge,

ihre scharfen spitzen Fänge.

Sie sprach so sanft und ohne Zorn,

darüber daß ich sei verlor’n,

daß meine Wut sei ungerecht,

und daß ich böse sei und schlecht.

Denn meine Braut hätt‘ ich betrogen,

nicht sie hätt‘ mich ins Bett gezogen.

Sondern meine eignen Triebe

hätten gesiegt über die Liebe.

Denn schließlich hätt‘ ich sie besucht

und wäre darum jetzt verflucht.

Dann packte sie mich fest am Schopf

und bog nach hinten mir den Kopf.

Ihr Mund berührte meine Kehle,

dann raubte sie mir meine Seele.

Durch meine Haut drangen die Zähne,

dabei sah ich die rote Träne,

die über ihre Wange rann,

während zu trinken sie begann.

Sie trank mein Blut mit wilder Lust,

das Herz blieb steh’n in meiner Brust.

Die Seele wollt‘ auf Reisen geh’n,

es war vorbei, da half kein Fleh’n!

Doch dann spürte ich ihren Arm

an meinem Mund und süß und warm,

ihr Blut in meinen Mund mir floß.

Oh Gott – wie sehr ich dies genoß.

Ich schluckte, was sie mir tat geben

und ward verflucht zu ew’gem Leben.

Denn hernach sprach sie dann zu mir:

"Das ew’ge Leben schenkt ich Dir!

Doch wisse – bis zum jüngsten Gericht,

siehst Du nie wieder Sonnenlicht.

Denn wenn sie scheint am Himmelszelt,

dann bist Du tot für diese Welt!

Nie mehr lernst Du die Sonne kennen,

denn sie würde Dich verbrennen.

Hör mir gut zu und merk’s Dir gut,

als Nahrung dient Dir nur noch Blut.

Und wenn beherrscht der Hunger Dich,

dann denk voll Reue stets an mich,

die Du beschimpft hast ungerecht,

weil Du warst schwach, treulos und schlecht!

Und halt Dich fern von Deiner Braut,

denn wenn sie Dir ins Auge schaut,

ist sie verflucht genau wie Du

und kommt dann niemals mehr zur Ruh!

Sie wird Dich nie mehr lassen geh’n

und sie wird bitten, betteln, fleh’n,

bis Du ihr gibst, was ich Dir gab

und sie mitnimmst ins ew’ge Grab,

in dem sie jedesmal erwacht,

wenn draußen kommt die dunkle Nacht.

In ihr dann auch der Hunger nagt,

der sie treibt zur ew’gen Jagd.

Dan wird auch sie Blut trinken müssen,

wird töten mit ihren süßen Küssen.

Beute schlagen, wie ein Tier

und ewig jagen als Vampir!

Wie in einem Traum hörte ich zu.

Ich war so müde – brauchte Ruh.

Und als es draußen wurde heller,

führte sie mich in einen Keller.

Dort unten stand ihr schwarzer Sarg,

der für den Tag uns beide barg.

Ich blieb bei ihr noch lange Zeit,

bis ich dann endlich war bereit,

allein zu jagen in der Nacht,

wie sie es mir hatt‘ beigebracht.

Seit dem geh ich allein auf Jagd

und tief in mir die Trauer nagt.

Denn nie vergaß ich meine Braut,

habe sie nachts oft angeschaut.

Durchs Fensterglas sah ich dann immer,

wie sie lag in diesem Zimmer.

Wie sie träumte, schlief und weinte,

weil sie mich verloren meinte.

Und ich war verloren wohl –

mein Dasein war voll Schmerz und hohl.

Und es zerriß mir schier das Herz,

wenn ich sie sah in ihrem Schmerz.

Doch ich blieb stark, ging nicht hinein,

ließ sie dort weinen stets allein.

Denn eines wußt‘ ich tief in mir –

tät‘ ich’s, wär‘ sie bald ein Vampir!

Dann wäre sie, wie ich verflucht,

wär‘ böse, grausam und verrucht.

Dann wär‘ zerstört, was mir geblieben,

dann könnte ich sie nicht mehr lieben.

Auch würde sie mich bald verdammen,

nie würden glücklich wir zusammen.

So sah ich sie an in jener Nacht

und hab‘ mich dann davon gemacht.

Nie wieder ging ich danach zu ihr

und schreib‘ nun diese Verse hier,

denn mittlerweile ist sie tot

und ihre Seel‘ nun ohne Not.

Sie ging dahin vor langer Zeit

und auch für mich ist’s nun soweit.

Jahrhunderte zogen ins Land,

seit meine Braut ihr Ende fand.

Doch vergessen konnt‘ ich sie nie,

ich denke immerzu an sie.

Im Traum ich oft sie weinen hörte,

weil ich uns beide wohl zerstörte.

Ich hoffe auf Vergebung nun,

kann nicht mehr länger Buße tun.

Mag nicht mehr töten für das Blut

und setz‘ mich aus der Sonnenglut.

Bald wird es hell, dann ist’s zu Ende,

warum nur zittern mir die Hände?

Kaum kann ich noch die Feder halten

und doch – Gerechtigkeit muß walten.

Der Horizont färbt sich schon rot

und mich ereilt schon bald der Tod.

Wie jeden Morgen wird er kommen,

ich fühle mich schon ganz benommen.

Ich seh‘ mich um nach meinem Sarg,

der sonstens mich tagsüber barg.

Doch der ist fern – so weit von hier,

nichts kann bieten Schutz noch mir.

Hoch auf dem Berg bin ich gestiegen,

um meinen Fluch nun zu besiegen.

Keine Höhlen, harter Stein,

am Horizont der helle Schein!

Die Sonne kommt, es brennt mein Herz,

mein ganzer Körper – nur noch Schmerz.

Es brennt die Feder in der Hand

und meine Haut riecht schon verbrannt.

Es wird so hell – es tut so weh!

Glücklich schreibe ich Euch: Ade....

 

(Copyright by Heshthot S.)